Aus dem PISA-Debakel lernen

Frau hält ein Heft mit Matheaufgaben vor das Gesicht. Bild von Freepik
Wissen und Bildung
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von Christine Kammerer

Die jüngsten Ergebnisse der PISA-Studie haben einen alarmierenden Trend aufgezeigt: Die Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler sind erneut deutlich gesunken. Deutsche Schulen sind nur noch mittelmäßig. Diesen Weckruf dürfen wir nicht ignorieren. Dabei stehen Staat und Gesellschaft in der Verantwortung, denn Bildung ist das Fundament für unsere wirtschaftliche Entwicklung und wir benötigen gut ausgebildete Fachkräfte dringender denn je. Zudem müssen wir sicherstellen, dass unsere Kinder die bestmöglichen Chancen für ihre Zukunft haben.

Lesedauer:
4 min

PISA – die Ergebnisse

690 000 Schülerinnen und Schüler aus 81 Ländern nahmen an der Erhebung teil. Schwerpunkte lagen in den Bereichen Mathematik und Lesekompetenz. Insgesamt ist ein beispielloser Rückgang des OECD-Leistungsdurchschnitts zu verbuchen. Dieser sank verglichen mit 2018

  • in Lesekompetenz um 10 Punkte und
  • in Mathematik um fast 15 Punkte.

Der Leistungsrückgang in Mathematik ist dreimal so hoch wie je zuvor. Dieser Wert kann nur teilweise auf die Corona-Pandemie zurückgeführt werden. Schon vor 2018 waren negative Trends bei den Leistungen in Lesekompetenz, Naturwissenschaften und bei den Mathematikleistungen zu beobachten.

Die 15-Jährigen fallen in Deutschland in allen Kompetenzbereichen auf die niedrigsten Werte ab, die hierzulande im Rahmen von PISA je gemessen wurden. In Mathematik verfehlen 30 Prozent der Jugendlichen die Mindestanforderungen, im Lesen sind es 25 Prozent. Im Vergleich zur PISA-Studie 2018 entspricht der Rückgang der Kompetenzen in Mathematik und im Lesen dem durchschnittlichen Lernfortschritt eines ganzen Schuljahres. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im OECD-Durchschnitt, in den Naturwissenschaften leicht darüber. 2018 lag Deutschland in allen Kompetenzbereichen noch über dem OECD-Durchschnitt

Bei PISA punkten - in Bildung investieren

Zudem belegen Forschungsergebnisse, dass eine gut ausgestattete Schule, unterstützt durch moderne Technologie und Lehrmittel, den Lernerfolg der Schüler signifikant steigern kann. Wir können nicht erwarten, dass sich die Leistungen unserer Schüler verbessern, wenn wir nicht ausreichend in ihre Bildung investieren. Und damit sind keineswegs nur die finanziellen Mittel gemeint - die öffentlichen Bildungsausgaben sind in den vergangen zehn Jahren um rund 50 Prozent gestiegen (Quelle: statista.com) und dennoch erleben wir ein solches Debakel. Es geht vor allem auch um eine effiziente Nutzung dieser Ressourcen. Lehrerinnen und Lehrer benötigen die richtigen Werkzeuge und gezielte Unterstützung, um ihre Schüler bestmöglich zu fördern.

Frühkindliche Bildung legt den Grundstein für gute PISA-Werte

Der Grundstein für den Bildungserfolg wird in den ersten Lebensjahren gelegt. Frühkindliche Bildung muss daher einen höheren Stellenwert erhalten. Alle Kinder müssen Zugang zu qualitativ hochwertigen Kindergärten und frühkindlichen Bildungsprogrammen erhalten, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund. Frühkindliche Bildung ist ein entscheidender Faktor für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung eines jeden Kindes. Studien zeigen, dass Kinder, die frühzeitig an qualitativ hochwertigen Bildungsprogrammen teilnehmen, später bessere schulische Leistungen erzielen und ein höheres Bildungsniveau erreichen (Quelle: pedocs.de).

Bessere Lehrerausbildung, bessere PISA-Ergebnisse

Jeder Schüler ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten. Lehrkräfte sollten in die Lage versetzt werden, auf individuelle Anforderungen einzugehen und eine differenzierte Unterrichtsgestaltung zu ermöglichen. Die große Vielfalt, die Schülerinnen und Schüler mitbringen, sollte bestmöglich berücksichtigt werden. Das bedeutet: kleinere Klassen, zusätzliche individuelle Betreuungszeiten und eine grundlegend verbesserte Lehrerausbildung, die gezielt auf die Herausforderungen des modernen Bildungsumfelds eingeht. Diese Maßnahmen sind essenziell, um sicherzustellen, dass niemand aufgrund seiner individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zurückgelassen wird und alle Kinder die bestmögliche Chance auf eine erfolgreiche Bildung erhalten.

Lehrerinnen und Lehrer sind der Schlüssel zu einer guten Bildung. Daher sollte ihre Ausbildung kontinuierlich verbessert werden. Sie müssen zudem jegliche Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um erfolgreich in ihrem Beruf tätig zu sein. Dies beinhaltet unter anderem regelmäßige Fortbildungen, Mentoring-Programme und angemessene Arbeitsbedingungen.

Eltern mitverantwortlich für PISA-Desaster

Die Unterstützung der Eltern ist entscheidend für den Bildungserfolg ihrer Kinder. Eltern müssen ermutigt werden, aktiv am Bildungsprozess teilzunehmen, sei es durch regelmäßige Kommunikation mit Lehrkräften, Unterstützung bei den Hausaufgaben oder die Förderung einer positiven Einstellung zum Lernen. Eltern sollten dazu ermutigt werden, an Elternabenden und Bildungskonferenzen teilzunehmen, um Einblicke in den Lehrplan und pädagogische Ansätze zu erhalten. Zusätzlich können Elternworkshops zu Themen wie Lernstrategien und Erziehungstechniken angeboten werden, um ihre Fähigkeiten als Bildungspartner zu stärken.

PISA-Debakel zeigt Mängel bei Digitalisierung auf

Es ist wichtig, dass unsere Schulen mit den neuesten Technologien ausgestattet sind und dass Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, diese effektiv im Unterricht einzusetzen, um das Lernen zu bereichern und zu vertiefen. Die Integration digitaler Technologien ermöglicht den Zugang zu einer breiten Palette von Lernressourcen und fördert die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten für die digitale Arbeitswelt von morgen.

Es ist jedoch genauso wichtig anzuerkennen, dass die Digitalisierung nicht in allen Lebensbereichen gleichermaßen hilfreich ist und dass eine übermäßige Abhängigkeit von digitalen Technologien sehr problematisch sein kann. In einigen Bereichen ist sogar eine Rückbesinnung auf analoge Methoden und eine bewusste Dedigitalisierung notwendig, um eine ganzheitliche und ausgewogene Bildung sicherzustellen.

PISA – Fazit für die Zukunft

Die Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler sind nur noch durchschnittlich. Diesen Weckruf sollten wir ernst nehmen, da Bildung das Fundament unserer wirtschaftlichen Entwicklung darstellt und gut ausgebildete Fachkräfte dringend benötigt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Kinder die bestmöglichen Chancen für ihre Zukunft haben. Deswegen müssen wir in Bildung investieren - nicht so sehr finanziell, sondern vor allem im Hinblick auf eine effiziente Nutzung der Ressourcen, eine Stärkung der frühkindlichen Bildung und eine Verbesserung der Lehrerausbildung. Zudem sollten Eltern verstärkt in den Bildungsprozess eingebunden werden und wir müssen den Einsatz digitaler Technologien in Schulen kritisch hinterfragen, um eine ausgewogene und ganzheitliche Bildung sicherzustellen.

Literatur und Quellen

PISA 2022 Country Notes Deutschland

https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/berlincentre/pressethemen/GERMANY_Country-Note-PISA-2022_DEU.pdf; https://www.oecd.org/berlin/themen/pisa-studie/

PISA-Studie: Die wichtigsten Ergebnisse und Reaktionen

https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/die-zehn-wichtigsten-ergebnisse-der-pisa-studie/#die-ergebnisse-der-pisa-studie-2022

Öffentliche Bildungsausgaben in Deutschland bis 2023

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2526/umfrage/entwicklung-der-oeffentlichen-bildungsausgaben/

Frühkindliche Bildung als Basis von Schulerfolg? Analysen zur Wirksamkeit früher Bildungsförderung

https://www.pedocs.de/volltexte/2022/25663/pdf/DDS_2010_3_Stamm_Fruehkindliche_Bildung.pdf

»Wer sich so weit vom Leistungsgedanken entfernt hat, sollte sich nicht wundern«

https://www.spiegel.de/panorama/bildung/pisa-debakel-wer-sich-so-weit-vom-leistungsgedanken-entfernt-hat-sollte-sich-nicht-wundern-a-20f45096-2b78-42ec-a858-156f07eaf25b

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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