Regeln aufstellen – Grenzen setzen

Ein Schulkind schreibt etwas auf einen Notizblock
Entwicklung und Erziehung
© Bild von Freepik
von Christine Kammerer

Kinder brauchen Regeln und sie wissen es zu schätzen, wenn man ihnen Grenzen setzt. Weil eine klare Alltagsstruktur ihnen Orientierung und Sicherheit vermittelt. Außerdem bieten sie Geborgenheit in einer komplexen und mitunter aus Kindersicht sehr komplizierten Welt mit Krankheiten, Krisen und Kriegen. Doch gerade im Hinblick auf Regeln und Grenzen und die damit verbundenen Konsequenzen bei Verstößen sind Eltern häufig sehr unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Diese unklare Definition der eigenen Rolle führt regelmäßig zu halbherzigen und widersprüchlichen Reaktionen. Eltern verstärken damit eher die Verunsicherung ihrer Kinder, als ihnen die notwendige Orientierung zu geben.

Lesedauer:
4 min

Regeln vermitteln Struktur

Regeln betreffen fast alle Handlungen des Alltags:

  • Aufstehen, Frühstück und Schulbesuch,
  • Essen und Hygiene,
  • Hausaufgaben, Freizeitgestaltung und Mediennutzung,
  • Aufräumen und Helfen im Haushalt,
  • Einschlafrituale.

Regeln und Grenzen

  • geben Halt und Orientierung,
  • vereinfachen das Zusammenleben und
  • helfen beim Erwerb von Frustrationstoleranz.

Eltern stehen in der Verantwortung, sie sollten ihre Erwartungen

  • klar formulieren,
  • Erfolge belohnen,
  • Verstöße konsequent ahnden und die
  • Regeln und Grenzen bei Bedarf anpassen.

Regeln sind nicht angeboren

Wenn Eltern die Grundbedürfnisse ihrer Kinder befriedigen, entsteht und gedeiht bei diesen ein Urvertrauen in die Welt und eine grundlegende Sicherheit. Mit der Zeit erfahren sie jedoch, dass auch andere Menschen Bedürfnisse haben und dass daraus bestimmte Regeln des Zusammenlebens entstehen. Diese sind im besten Fall in eine vertrauensvolle Familienatmosphäre eingebunden. So haben Kinder zum Beispiel das Bedürfnis nach Nahrung und nach liebevoller Zuwendung. Sie lernen aber mit der Zeit, dass sie nicht uneingeschränkt die Erfüllung dieser Bedürfnisse einfordern können, weil sie mit den Bedürfnissen der Eltern kollidieren. Es gibt daher festgelegte Zeiträume, zu denen die kindlichen Bedürfnisse nach Nahrung und Zuwendung erfüllt werden. Sie müssen also lernen, sich zu gedulden und die durch den Aufschub entstehende Frustration auszuhalten.

Frustrationstoleranz erwerben

Frustrationstoleranz ist nach Saul Rosenzweig die Fähigkeit, psychische Belastungen und Anspannungen über längere Zeit zu ertragen. Sie entstehen zum Beispiel dann, wenn Wünsche und Bedürfnisse nicht unmittelbar befriedigt bzw. Erwartungen auf eine Belohnung nicht erfüllt werden. Menschen mit niedriger Frustrationstoleranz zeigen bei Herausforderungen weniger Leistung oder brechen sogar anstehende Aufgaben ab, wenn die Umstände nicht ihren Erwartungen entsprechen. Sie meiden schwierige Situationen und reagieren bei Frustration mitunter auch aggressiv.

In einer sicheren Bindung zu den Eltern erleben Kinder, dass es zwar gewisse Regeln und Grenzen gibt, aber ihre Bedürfnisse dennoch erfüllt werden, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung. Sie lernen, dass dieser Aufschub erträglich ist. Ihre Toleranzschwelle nimmt mit den Jahren zu und das ist eine enorm wichtige Erfahrung: Auch später, sei es in der Schule oder im Berufsleben, können Bedürfnisse nicht immer sofort erfüllt werden und es folgt nicht immer eine Belohnung auf die Anstrengung.

Angst vor Konflikten und Liebesverlust

Eltern, die selbst verunsichert sind, sei es durch die eigene Erziehung oder das Verhalten anderer Eltern, haben oft übermäßige Angst davor, die Liebe ihrer Kinder zu verlieren. Sie bewegen sich in einem unklaren Raum und lassen ihre Kinder im Unklaren darüber, was angesagt ist – und was nicht. Grenzen setzen und die Einhaltung von Regeln einfordern ist unbequem und natürlich macht man sich damit auch manchmal sehr unbeliebt, doch diese unangenehmen Gefühle gilt es auszuhalten. Häufig steht hinter unklaren Botschaften die Hoffnung, einen Konflikt zu vermeiden. Doch Kinder sind oft einfach noch überfordert damit, in einer bestimmten Situation selbst zu entscheiden. Auch sollten Regeln nicht bis ins Detail ausdiskutiert und je nach Verhandlungsgeschick interpretiert werden dürfen. Letztlich stehen die Eltern in der Verantwortung. Sie haben das letzte Wort.

Klare Erwartungen, Erfolge belohnen

Wenn es um Familienregeln geht, haben wir oft viele längst überholte Werte aus dem Regelwerk unserer eigenen Eltern im Gepäck. Man sollte sich deswegen bewusst machen: Was ist uns als Eltern, als Familie wirklich wichtig? Hier helfen nur klare Ansagen weiter. Diese sollten als eindeutige und unmittelbare Erwartung formuliert werden, und zwar im direkten Kontakt - nicht als Stimme aus dem Hintergrund. Es ist sinnvoll, auf Rückmeldung zu bestehen und in der Situation zu bleiben, bis das Kind die Regel verstanden hat. Dabei ist es wichtig, keine Vorwürfe zu machen, sondern auf eine Lösung hinzuwirken und das Kind ausdrücklich zu loben, wenn es sich konstruktiv verhält. Lob ist eine Belohnung und wirkt als positiver Verstärker für erwünschtes Verhalten. Deswegen sollte im Sinne der gemeinsam gesetzten Regeln richtiges Verhalten immer wieder positiv erwähnt werden: „Danke, dass du geholfen hast“, „Toll, dass du pünktlich warst…“ etc.

Was tun bei Grenzverletzungen und Regelverstößen?

Auch wenn das Kind grob gegen Regeln verstößt, sollt man nicht gleich drastische Strafen androhen. Das verängstigt Kinder und ist nicht zielführend. Viel hilfreicher ist es, dem Kind mögliche Konsequenzen seines Verhaltens realistisch aufzuzeigen. Wenn es beispielsweise außerhalb der vereinbarten Zeiten am Computer spielt, wird die regulär abgemachte Spielzeit dafür am gleichen oder nächsten Tag gestrichen.

Fazit: Wer Regeln akzeptiert, lebt glücklicher

Kinder und Jugendliche, die gelernt haben, Regeln und Grenzen zu akzeptieren, ertragen belastende Situationen wie zum Beispiel Prüfungen besser. Sie haben den Aufschub der Belohnung und manchmal sogar den Verzicht darauf als unvermeidlichen Bestandteil der Lebensrealität verinnerlicht.

Je verständiger Kinder werden, desto besser kann man sie in die Gestaltung von Regeln einbeziehen und Vereinbarungen treffen, die ihre Vorstellungen von der Lösung eines Problems berücksichtigen. Werden diese von allen Beteiligten akzeptiert, kann man sie zusätzlich schriftlich festhalten – zum Beispiel in einer Art Hausordnung, in der Regeln zum Aufräumen aufgestellt werden. Am besten notiert man dort auch gleich mögliche Belohnungen und Konsequenzen bei Nichteinhaltung. Auch sind Regeln meist nicht auf ewig zementiert, sondern können an neue Umstände angepasst werden. Sie sind notwendig, weil Kinder nur eingeschränkt für sich selbst oder andere Verantwortung übernehmen können. In dem Maße, in dem sie Reife und Verantwortungsgefühl erwerben, können sich Regeln und Grenzen verschieben. Deswegen können für Kinder unterschiedlichen Alters durchaus verschiedene Regeln gelten.

Links

Grenzen setzen in der Erziehung

https://www.familienhandbuch.de/babys-kinder/erziehungsfragen/grenzen/grenzensetzenindererziehung.php

Erziehung: Das sollten Sie beim Aufstellen von Regeln beachten

https://www.t-online.de/leben/familie/erziehung/id_80805664/regeln-fuer-kinder-aufstellen-das-sollten-sie-beachten-erziehung.html

Grenzen setzen – aber richtig! 9 Regeln, die Sie als Eltern kennen sollten

https://eltern-raten-eltern-forum.de/grenzen-setzen/

Warum Grenzen setzen für Kinder so wichtig ist - und wie das auch gelingt

https://www.familienleben.ch/kind/erziehung/grenzen-setzen-was-tun-wenn-kinder-sich-nicht-an-regeln-halten-4310

Kindern Grenzen setzen – nur, wie?

https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/2000129430009/kindern-grenzen-setzen-aber-wie

 

Beitrag teilen:
Themen:
Regeln
Erziehung
Routine
Benimmregeln
Über den Autor/die Autorin
Foto Christine Kammerer

Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

Weitere Beiträge lesen