Schreibt ChatGPT jetzt die Hausaufgaben?
Schreibt ChatGPT jetzt die Hausaufgaben?
Die Hausarbeit zum Dreißigjährigen Krieg, die Gedichtinterpretation oder die Beschreibung der Photosynthese – das alles kann Chat GPT so gut wie jedes Schulkind. Oder doch nicht? Die künstliche Intelligenz der amerikanischen Firma Open AI ist in aller Munde. Natürlich ist ChatGPT auch längst in den Schulen angekommen.
ChatGPT fasst zusammen, löst mathematische Gleichungen und schreibt sogar Gedichte. Von der Hausaufgabe in Grundschule oder Gymnasium bis zur Bachelorarbeit liefert das Programm gute Ergebnisse. Selbst das bayerische Abitur hätte ChatGPT bestanden, wenn auch nur mit befriedigenden bis ausreichenden Noten. Das Problem, vor allem wenn es um die Hausaufgaben geht: Es lässt sich kaum feststellen, ob ein Text von ChatGPT oder einem Menschen geschrieben wurde. Entsprechende Versuche waren bis jetzt jedenfalls erfolglos und lagen regelmäßig daneben.
Sollte ChatGPT an Schulen verboten werden?
Ob die neue künstliche Intelligenz Segen oder Fluch ist, darüber sind Lehrinnen und Lehrer so uneins wie der Rest der Welt. Könnte der Gebrauch von ChatGPT dazu führen, dass Kinder die Fähigkeit zum selbstständigen Denken verlernen? Sind Schülerinnen und Schüler, die Hausaufgaben von ChatGPT schreiben lassen und sie anschließend nur ins eigene Heft übertragen, irgendwann nicht mehr in der Lage, selbst Bezüge zwischen den Fakten herzustellen? Bleiben Kreativität und kritisches Denken auf der Strecke? Oder ist der sinnvolle Umgang mit künstlicher Intelligenz eine unabdingbare Fähigkeit im Zeitalter der Digitalisierung, die Kinder sowieso unbedingt lernen sollten?
Eines ist allen klar: Ignorieren oder verbieten kann wohl keine Lösung sein, auch wenn etliche Bildungsstätten derzeit diesen Weg einschlagen. Auf Dauer muss sich die Schule der Herausforderung ChatGPT stellen.
Was ist ChatGPT?
ChatGPT ist ein Chatbot, der auf maschinellem Lernen beruht, einem Teilgebiet der künstlichen Intelligenz. Seit die milliardenschwere Firma Open AI, hinter der zum Großteil Microsoft steht, die KI im November 2022 veröffentlichte, hat sie sich rasend schnell verbreitet. Derzeit ist die Nutzung von ChatGPT kostenlos. Open AI bietet aber bereits eine Abo-Version mit verbessertem Zugang zum Preis von 20 Dollar im Monat an. Es ist daher gut vorstellbar, dass die Nutzung der KI in absehbarer Zukunft auch eine Frage des Geldes werden könnte.
Viele Schülerinnen und Schüler kennen die KI bereits und haben eigene Versuche angestellt, wie sie sich nutzen lässt. Sein enormes Wissen verdankt ChatGPT einem intensiven Trainingsprogramm: Die KI wurde mit Unmassen an Texten gefüttert, aus denen sie ihre Informationen zusammenstellt. Das geschieht so lebensecht, dass der Chatbot wie ein menschlicher Gesprächspartner antwortet. Auf Wunsch kann auch der Sprachduktus der Antworten verändert werden. Anweisungen wie „Schreib das in leichter Sprache“ oder „Mach den Text emotionaler“ führen zu entsprechenden Texten.
Welche Lösungen werden diskutiert?
Im Umgang mit ChatGPT empfehlen viele Pädagoginnen und Pädagogen, die künstliche Intelligenz zukünftig in die Unterrichtsgestaltung einzubeziehen. Und zwar indem die Schülerinnen und Schüler lernen, der KI ihrerseits intelligente Fragen und Aufgabenstellungen zu stellen. Im Fall der Gedichtinterpretation könnte das bedeuten, statt nach einer Zusammenfassung und geschichtlichen Einordnung nach Gefühlen und Stimmungen zu fragen, die das Werk auslöst. Zum Beispiel mit einer Frage wie „Welche Szene im zweiten Kapitel hat dich berührt und warum?“ Anders gesagt: Mehr kritische Reflexion und Interpretation, weniger reines Abfragen von Wissen.
Bezogen auf die Hausaufgaben wird es vermutlich in Zukunft nicht mehr reichen, einen gut geschriebenen Text zum betreffenden Thema abzuliefern. Dieser ließe sich ja von der KI mühelos erstellen. Stattdessen könnte die Aufgabe darin bestehen, dass Schülerinnen und Schüler dokumentieren, welche Quellen sie bei der Recherche benutzt haben und Stellung dazu nehmen, warum sie diese für zuverlässig halten – oder eben nicht.
Denn: Auch die KI ist nicht fehlerfrei. Manchmal erfindet sie sogar Fakten oder Quellen, wenn die entsprechenden Informationen nicht verfügbar waren. ChatGPT liefert etwa zurzeit nur Wissen bis zum Jahr 2021. Dass die Queen gestorben ist, weiß die KI zum Beispiel noch nicht. Faktenwissen und die Fähigkeit zu recherchieren und Aussagen zu überprüfen, bleibt deshalb auch heute noch wichtig.
Fazit
ChatGPT kann als Inspirationsquelle dienen, als Schreibpartner, der die Kreativität anregt. Konkret hieße das, dass Schülerinnen und Schüler und KI zusammenarbeiten. ChatGPT liefert Texte, zum Beispiel zu einem geschichtlichen Thema, die von der Klasse hinterfragt und beurteilt werden. Auf diese Weise können Schülerinnen und Schüler herausfinden, welche Chancen die KI hat und welche Grenzen sie erkennen. Das reine Reproduzieren von Wissen, sagen viele Lehrinnen und Lehrer, sei dagegen ohnehin im Bildungsbereich schon seit Längerem überholt.
Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.