Wenn Kinder trauern

- Was Eltern beachten sollten

Ein kleines Mädchen umarmt seine Mutter
Freizeit und Erholung
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von Alexandra von Plüskow - Kaminski

Gründe, traurig zu sein, gibt es vielfältige. Doch häufig trauern Kinder etwa aufgrund der Trennung ihrer Eltern, des Verlustes durch den Tod eines Verwandten oder auch eines Haustieres. Was sollten Eltern hinsichtlich der kindlichen Trauer beachten? Wie können sie darauf eingehen? Und ab wann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden?
Erste Ansätze vermag der folgende Beitrag zu vermitteln.

Lesedauer:
3 min

Trauer – Annäherung an einen Begriff

Sigmund Freud beschäftigte sich in seinem Aufsatz „Trauer und Melancholie“ aus dem Jahr 1915 mit dem Phänomen der Trauer. Trauer wird von ihm bezeichnet als „die Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person ...“. Als „eine spontane, natürliche, normale und selbstverständliche Antwort unseres Organismus, unserer ganzen Person auf Verlust“ bezeichnet Jorgos Canacakis in seinem Werk „Ich sehe deine Tränen – Trauern, Klagen, Leben können“ die Trauer.
Wir alle kennen Formen und Ausprägungen von Trauer aus unserem Alltag. So sind es in der Regel Verlusterlebnisse, die diese erzeugen. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit diesem Gefühl um. Doch sind es in der Regel vier Phasen, die man durchläuft, um eine Trauerphase im Leben erfolgreich abzuschließen.

Vier Phasen der Trauer nach Yorick Spiegel

In seinem Werk „Der Prozess des Trauerns – Analyse und Beratung“ nennt Yorick Spiegel vier Phasen, die man in einer Trauerzeit durchmacht. Es sind:

  1. Die Phase des Schocks, in der man den Tod bzw. den Verlust der geliebten Person oder des geliebten Tieres nicht wahrhaben möchte.
  2. Die Phase der kontrollierten Emotion, in der die trauernde Person sich selbst kontrolliert oder von seiner Umwelt kontrolliert wird. Oftmals wird diese Phase als unwirklich, wie in einem Traum beschrieben.
  3. Die Phase der Regression, in der der Trauernde sich intensiv mit dem Verlust auseinandersetzt. Häufig zieht sich die trauernde Person zurück. Durch ihre Hilflosigkeit macht sie aber auch darauf aufmerksam, dass sie Unterstützung in ihrer Trauer, also Trost braucht.
  4. Die Phase der Adaptation, in der die trauernde Person sich selbst erneuert und auch die Beziehungen zur Umwelt re-stabilisiert. Nach und nach zeigt die trauernde Person Eigeninitiative und nimmt wieder an Aktivitäten teil.
  5. Die Phasen können unterschiedlich ausgeprägt sein. Auch dauern sie in jedem Fall verschieden lang an.

Kindliche Trauer

Zur kindlichen Trauer gibt es – laut Bowlby – nur wenige Daten, die auch repräsentativ sind. Schulkinder sind jedoch in der Lage, die Hauptvoraussetzung des Trauerns, nämlich das Verstehen und Akzeptieren des Todes in der Realität, zu leisten. Die neue Situation erfordert vom Kind eine Neudefinition. Diese ist unweigerlich damit verbunden, dass es die vier Trauerphasen durchläuft und dabei viele ambivalente Gefühlsregungen durchstehen muss.
In der ersten Phase des Schocks sollten Eltern den Tod als eindeutige Realität vermitteln. Kinder reagieren hierauf sehr unterschiedlich. Beginnen manche Kinder damit, stark zu weinen, übergehen andere die Nachricht des Todes einfach.
In der zweiten Phase, der der kontrollierten Emotionen, orientieren sich Kinder oftmals an dem trauernden erwachsenen Vorbild. Bleiben Sie als Elternteil authentisch und zeigen Sie Ihrem Kind Wege auf, die Trauer zu äußern – schaffen Sie Gemeinsamkeiten.
Die Phase der Regression ist auch bei Kindern die intensivste. Trauernde Kinder können von Schuldgefühlen geplagt werden, häufig geraten sie in einen Ambivalenzkonflikt, wenn die verstorbene Person nur positiv dargestellt wird. Eltern können hier auch dessen negative Seiten betonen, um dem Kind zuzugestehen, dass es dies auch richtig empfunden hat. Sollte Ihr Kind die verstorbene Person im Nachhinein phasenweise glorifizieren, so lassen Sie dies zu. Diese Identifikation mit dem Verstorbenen ist für Kinder von besonderer Bedeutung, da sie ihn so nicht vollständig verlieren.
Manche Kinder zeigen ein aggressives Verhalten in ihrer Trauer, andere wiederum ziehen sich zurück oder entwickeln sich zurück. Sie beginnen etwa, am Daumen zu lutschen oder zeigen Schulversagen.
Nach dieser Phase öffnen sich Kinder wieder der Realität und fangen damit an, sich neuen Fähigkeiten zu widmen.

Erwachsene als Helfende

Im Gegensatz zu Erwachsenen sind Kinder während ihrer Trauerphase auf die Unterstützung von erwachsenen Personen angewiesen. Dies ist eine bedeutende Aufgabe, der sich Eltern, Erzieher/innen und auch Lehrkräfte widmen sollten.
Zunächst einmal sollten Sie als Vorbild da sein. Zeigen Sie, wie sich Ihre Trauer äußert – und welche Wege Sie haben, damit umzugehen. Seien Sie als Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin für das Kind da. Schaffen Sie Gesprächsanlässe wie etwa das Betrachten von Bilderbüchern mit Identifikationsfiguren oder auch das Malen und gemeinsame Betrachten von Bildern. Versuchen Sie, auf die Gefühlsregungen Ihres Kindes einzugehen und diese zu akzeptieren.

Was tun, wenn Ihr Kind in der Trauer feststeckt?

Kinder trauern in der Regel recht intensiv. Dennoch sollten Sie, wenn Sie das Gefühl haben, dass der Trauerprozess Ihres Kindes nicht normal verläuft, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Sprechen Sie die Erzieherinnen und Erzieher bzw. die Lehrkräfte Ihres Kindes an, wie es sich in den Institutionen verhält. Suchen Sie professionellen Rat etwa den eines Kinderpsychologen bzw. einer Kinderpsychologin. Diese bzw. dieser wird etwa Gespräche mit Ihrem Kind führen. Dies ist von besonderer Bedeutung, denn vielen Kindern mangelt es an der Fähigkeit, die eigene Trauer in Worte zu fassen.

So wie wir Erwachsenen durchlaufen Kinder verschiedene Phasen in ihrer Trauerarbeit. Es ist wichtig, dass wir ihnen diese Phasen zugestehen und ihnen in jeder dieser Phasen unsere Unterstützung zusichern und zukommen lassen. So macht Ihr Kind eine der wichtigsten Erfahrungen im Leben: Dass es in seiner Trauer nicht allein ist.

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Über den Autor/die Autorin
Foto Alexandra von Plüskow-Kaminski

Alexandra von Plüskow-Kaminski hat mehr als 20 Jahre als Grundschullehrerin gearbeitet und war als Fachberaterin tätig. Dabei war sie u.a. zuständig für die Übergänge von der Kita in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterführende Schule. Seit März 2022 koordiniert sie das Sprachbildungszentrum Lüneburg.

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