Gewalt gegen Lehrer

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von Christine Kammerer
Gewalthandlungen gegen Lehrer an deutschen Schulen wurden lange nicht öffentlich thematisiert. Meist mit dem Argument, dass es sich meist um Ausnahmen und Einzelfälle handelte. Hinter solchen Aussagen kann man sich heute jedoch nicht mehr verstecken, denn inzwischen ist Gewalt gegen Lehrer an der Tagesordnung und hat erschreckende Formen angenommen. Bei den Betroffenen selbst ist die Scham nach wie vor groß. Viele sprechen gar nicht erst darüber, insbesondere wenn es sich um psychische Verletzungen und Übergriffe handelt. Zudem wird eine wenig kooperative Haltung der übergeordneten Ministerien beklagt. Das Thema Gewalt gegen Lehrer kann sich zwar allmählich aus der Tabuzone befreien, doch es besteht nach wie vor großer Aufklärungs- und Handlungsbedarf.
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Gewalthandlungen gegen Lehrer an deutschen Schulen wurden lange nicht öffentlich thematisiert. Meist mit dem Argument, dass es sich meist um Ausnahmen und Einzelfälle handelte. Hinter solchen Aussagen kann man sich heute jedoch nicht mehr verstecken, denn inzwischen ist Gewalt gegen Lehrer an der Tagesordnung und hat erschreckende Formen angenommen. Bei den Betroffenen selbst ist die Scham nach wie vor groß. Viele sprechen gar nicht erst darüber, insbesondere wenn es sich um psychische Verletzungen und Übergriffe handelt. Zudem wird eine wenig kooperative Haltung der übergeordneten Ministerien beklagt. Das Thema Gewalt gegen Lehrer kann sich zwar allmählich aus der Tabuzone befreien, doch es besteht nach wie vor großer Aufklärungs- und Handlungsbedarf.

Gewalt gegen Lehrer – was ist darunter zu verstehen?

Gewaltbereitschaft ist offensichtlich keine Frage der Schulart. Die Täter sind auch nicht immer die Schüler, sondern gelegentlich wenden auch Eltern Gewalt gegen Lehrer an. Die Zahlen unterscheiden sich lediglich dahingehend, ob wir von Gewalt in ihrer körperlichen oder in ihrer seelischen Dimension sprechen: Körperliche Gewalt gegen Lehrer ist meist offensichtlich. Darunter fallen beispielsweise Schläge, Tritte, Bisse oder das Bewerfen mit Objekten. Körperliche Übergriffe kommen eher an Grundschulen vor (32 gegenüber 12 Prozent an Haupt- und Realschulen).

Psychische Gewalt gegen Lehrer tritt oft verschleiert auf und ist als solche mitunter schwer zu erkennen. Zu den Akten seelischer Gewalt gehören Erniedrigungen, Beleidigungen und Bedrohungen sowie sämtliche Formen von Mobbing wie das Verbreiten von Behauptungen oder Lügen im Internet. Solche Grenzverletzungen werden in allen Schularten ausgeübt. So ist Cybermobbing an Gymnasien fast ebenso häufig wie an Haupt-, Real- oder Gesamtschulen (33 gegenüber 36 Prozent).

Gewalt gegen Lehrer: Wie viele sind betroffen?

Polizeiliche Stellen registrieren im letzten Jahrzehnt eine deutliche Zunahme an Beratungsbedarf seitens der Betroffenen. Der VBE initiierte daraufhin mehrere forsa-Studien an allgemeinbildenden Schulen. 2016 wurden Lehrkräfte und 2018 die Schulleitungen zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Gewalt gegen Lehrer an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren befragt. Beide Umfragen erbrachten in etwa ähnliche Ergebnisse:
  • Mehr als 50 Prozent der befragten Lehrer erklärten, dass es zu psychischer Gewalt gegen Lehrer kam; ein Viertel war selbst betroffen.
  • 21 Prozent gaben an, es habe körperliche Gewalt gegen Lehrer gegeben; sechs Prozent waren selbst betroffen.

Gewalt gegen Lehrer – schlechte Noten für Ministerien

Betroffene Lehrkräfte attestieren ihren Schulleitungen meist guten Rückhalt. Gleichzeitig wird die mangelnde Unterstützung durch Politik und Verwaltung von den Schulleitungen kritisiert. Sie würden ihre Mitarbeiter gerne unterstützen, stoßen dabei jedoch auf Hindernisse:
  • Schüler zeigen sich uneinsichtig (63 Prozent der befragten Schulleitungen).
  • Eltern sind nicht kooperativ (59 Prozent).
  • Schulministerium befasst sich nicht ausreichend damit (1/3).
  • Meldungen an Ministerien werden zu bürokratisch gehandhabt (1/5).
Die Schulleitungen unterstellen hier auch eine gewisse Ignoranz seitens der Ministerien sowie die Befürchtung, unliebsame Fakten könnten in der Öffentlichkeit zu Reputationsverlusten führen.

Fazit: Handlungsbedarf beim Thema Gewalt gegen Lehrer!

Udo Michallik, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, ließ jüngst verlauten, Gewalt gegen Lehrer dürften „weder verschwiegen noch bagatellisiert werden“. Er plädierte dafür, dass
  • Statistiken geführt, aber auch veröffentlicht werden,
  • betroffene Lehrkräfte volle Unterstützung erhalten, was auch beinhalte, dass sie nach einem Vorfall, „unbürokratische Meldung und die schnelle Hilfe“ bekommen.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann erklärt, dass die Autorität von Lehrern in den letzten Jahrzehnten stark gelitten habe und man nicht mehr mit der vorbehaltlosen Unterstützung Rückhalt der Eltern rechnen dürfe. Deswegen sollte das Standing von Lehrern in der Gesellschaft wieder gestärkt werden, um Gewalt gegen Lehrer zu mindern. Schulpsychologe Siegfried Hümmer (BLLV) ist auch mit Lehrkräften konfrontiert, die aufgrund psychischer Gewalt nicht mehr arbeitsfähig sind. Bei einem ohnehin schon eklatanten Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen, so Hümmer, könne sich die Staatsregierung einfach nicht leisten, dass qualifizierte Lehrkräfte ausfallen.

Fest steht also: Mit Schweigen bei Gewalt gegen Lehrer ist niemandem geholfen. Den Lehrern nicht, aber auch nicht den Kindern und Jugendlichen. Wenn unsere demokratische Gesellschaft weiterhin Bestand haben soll, müssen sie lernen, Respekt und Grenzen anzuerkennen. Sofern dies nicht bereits im Elternhaus geschieht, sind hier die Lehrer gefordert. Sie müssen klare Werte vermitteln, um Gewalt gegen Lehrer einzuschränken. Politik, Verwaltung und wir als Gesellschaft insgesamt müssen sie dabei nach Kräften unterstützen.

Links zum Thema Gewalt gegen Lehrer

Verbale Entgleisungen - wann ist es Gewalt?

Gewalt gegen Lehrer

forsa-Schulleiterumfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“

Broschüre "Gewalt gegen Lehrkräfte"

Gewalt an bayerischen Schulen – wenn Lehrer zu Opfern werden

Tabuthema an vielen Schulen: Gewalt und Übergriffe gegen Lehrer nehmen zu
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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