Soziale Medien und die Sucht nach Anerkennung
Entwicklung und Erziehung
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Soziale Medien und die Sucht nach Anerkennung
von Christine Kammerer
Soziale Medien wie Facebook und Instagram spielen gekonnt auf der Klaviatur einer typisch menschlichen Eigenart: Unserem Wunsch nach sozialer Anerkennung. Dieses Bedürfnis ist so tief in uns verwurzelt wie Hunger oder Durst. Es motiviert uns im besten Sinne zu guten Taten, zu genialen Erfindungen und zu allen Arten von außergewöhnlichen Leistungen, zum Beispiel im Sport. Allerdings verleitet das Streben nach Anerkennung in seiner extremen Ausprägung auch zu vielen Verhaltensweisen, die aus individueller oder gesellschaftlicher Sicht gesehen eher negativ bewertet werden müssen.
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Soziale Medien wie Facebook und Instagram spielen gekonnt auf der Klaviatur einer typisch menschlichen Eigenart: Unserem Wunsch nach sozialer Anerkennung. Dieses Bedürfnis ist so tief in uns verwurzelt wie Hunger oder Durst. Es motiviert uns im besten Sinne zu guten Taten, zu genialen Erfindungen und zu allen Arten von außergewöhnlichen Leistungen, zum Beispiel im Sport. Allerdings verleitet das Streben nach Anerkennung in seiner extremen Ausprägung auch zu vielen Verhaltensweisen, die aus individueller oder gesellschaftlicher Sicht gesehen eher negativ bewertet werden müssen. Beispielsweise dann, wenn Menschen um jeden Preis auffallen wollen und mit ihrer Selbstdarstellung im Internet bis zum Äußersten gehen.
Dieser Beitrag erläutert, wohin ein solcher Drang im Extremfall führen kann, warum unser Gehirn nach Anerkennung giert, wann man von einem „normalen“ bzw. „gesunden“ Bedürfnis sprechen kann und wie man es anderweitig kompensieren kann, ohne sich und anderen damit zu schaden.
DrachenLord1510 forderte mit seinen Statements massive Reaktionen geradezu heraus, zum Beispiel indem er den Holocaust als „nice Sache“ bezeichnete. Das trug ihm zahlreiche Hasskommentare zu seinen Videos ein. Viele Nutzer machten sich zudem in eigenen Beiträgen über den YouTuber lustig und verhöhnten ihn. Er wiederum reagierte mit aggressiven Statements und schaukelte die ganze Sache dadurch immer weiter auf. Drachenlord wurde schließlich im Netz massiv gemobbt und der Schauplatz der gegenseitigen Aggressionen verlagerte sich zunehmend auch in die reale Welt – ein 50-Seelen-Dorf in der Nähe von Nürnberg. Der Drachenlord hatte im Eifer des Gefechts seine Adresse preisgegeben und seine Gegner regelrecht zur persönlichen Auseinandersetzung aufgefordert. Diese verübten seither immer wieder strafbare Handlungen rund um seinen Wohnsitz wie verbotswidrigen Demonstrationen, Ruhestörungen und Hausfriedensbruch, die das gesamte Dorf in Mitleidenschaft zogen. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Früher wurde diese Art der Bestätigung im Beruf, im Freundeskreis, in der Partnerschaft oder in der Familie gesucht. Und natürlich haben wir auch früher schon einmal einen unangebrachten Kommentar von uns gegeben oder ein peinliches Foto herumgezeigt. Damals war ein solcher Lapsus jedoch auch schnell wieder vergessen. Heute allerdings stehen uns auch noch andere Quellen zur Verfügung, um unser Bedürfnis nach Anerkennung zu stillen, nämlich soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter. Dort kann jeder Post X-fach geteilt werden. Er erreicht somit unweigerlich auch solche Personen, für die er niemals gedacht war und das Netz vergisst nichts: Sämtliche Verfehlungen bleiben bis in alle Ewigkeit erhalten.
Welche Form der Anerkennung wir bevorzugen und wie weit wir dafür gehen, das ist auf unsere frühen Kindheits-Erfahrungen zurückzuführen. Sie bewirken, dass unser Belohnungssystem mehr oder weniger stark aktiviert wird. Hier zeigt sich: Kinder mit sicheren und geborgenen Bindungsstrukturen reagierten stärker auf positive Zuwendung. Kinder aus dysfunktionalen Familien-Strukturen, die stark narzisstische Tendenzen mitbringen, haben dagegen Schwierigkeiten, solche Unterscheidungen zu treffen und handeln oft frei nach dem altbewährten Motto „Viel Feind', viel Ehr'“.
Sie sollten lernen, äußerliche Erfolge oder die Meinungen anderer nicht zum Maßstab für ihr persönliches Glück zu machen. Das setzt jedoch auch die Fähigkeit voraus, überhaupt erkennen zu können, welche Arten von Beziehung gut für sie sind, wie sich echtes Geben und Nehmen gestaltet und wie man stabile Beziehungen, die von Wertschätzung und Respekt geprägt sind, aufbaut und pflegt. Dazu benötigen sie vor allem ein gesundes Selbstbewusstsein sowie wohlwollende und annehmende Beziehungen. Solche Kenntnisse und Fähigkeiten können Kinder und Jugendliche nur im Rahmen der sozialen Gruppen erwerben - in der realen Welt. Sei es an der Schule oder zum Beispiel im Sport. Und falls sie dort nicht integriert sind, dann muss man dafür sorgen, dass sie eingebunden werden. Denn nur das wirkliche Leben bietet ihnen geeignete Lernfelder, um ihr Bedürfnis nach Anerkennung zu kanalisieren und zu kompensieren.
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Dieser Beitrag erläutert, wohin ein solcher Drang im Extremfall führen kann, warum unser Gehirn nach Anerkennung giert, wann man von einem „normalen“ bzw. „gesunden“ Bedürfnis sprechen kann und wie man es anderweitig kompensieren kann, ohne sich und anderen damit zu schaden.
Tragisches Beispiel: DrachenLord1510
Ein YouTuber namens „DrachenLord1510“ provozierte die Netzgemeinde so sehr, dass sich neben seiner veritablen Fangemeinde eine noch viel größere Community herausbildete - die so genannten „Hater“. So werden in der Netzsprache Personen bezeichnet, die unangenehme Dinge über jemanden sagen oder schreiben oder seine Leistungen kritisieren.DrachenLord1510 forderte mit seinen Statements massive Reaktionen geradezu heraus, zum Beispiel indem er den Holocaust als „nice Sache“ bezeichnete. Das trug ihm zahlreiche Hasskommentare zu seinen Videos ein. Viele Nutzer machten sich zudem in eigenen Beiträgen über den YouTuber lustig und verhöhnten ihn. Er wiederum reagierte mit aggressiven Statements und schaukelte die ganze Sache dadurch immer weiter auf. Drachenlord wurde schließlich im Netz massiv gemobbt und der Schauplatz der gegenseitigen Aggressionen verlagerte sich zunehmend auch in die reale Welt – ein 50-Seelen-Dorf in der Nähe von Nürnberg. Der Drachenlord hatte im Eifer des Gefechts seine Adresse preisgegeben und seine Gegner regelrecht zur persönlichen Auseinandersetzung aufgefordert. Diese verübten seither immer wieder strafbare Handlungen rund um seinen Wohnsitz wie verbotswidrigen Demonstrationen, Ruhestörungen und Hausfriedensbruch, die das gesamte Dorf in Mitleidenschaft zogen. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Soziale Medien triggern das Belohnungszentrum
Schon 2014 ergab eine Trend Studie der Ford Motor Company, dass 62 Prozent der befragten Erwachsenen sich nach positiven Reaktionen aus sozialen Medien besser fühlen. Das bestätigt inzwischen auch die Hirnforschung: Benachrichtigungen aus unseren Netzwerken verursachen eine Ausschüttung des Glückshormons Dopamin im Belohnungszentrum des Gehirns. Mit anderen Worten: Wir interpretieren diese Nachrichten als Anerkennung und deswegen machen sie uns glücklich. Kinder und Jugendliche sind in noch viel stärkerem Maße dafür empfänglich.Früher wurde diese Art der Bestätigung im Beruf, im Freundeskreis, in der Partnerschaft oder in der Familie gesucht. Und natürlich haben wir auch früher schon einmal einen unangebrachten Kommentar von uns gegeben oder ein peinliches Foto herumgezeigt. Damals war ein solcher Lapsus jedoch auch schnell wieder vergessen. Heute allerdings stehen uns auch noch andere Quellen zur Verfügung, um unser Bedürfnis nach Anerkennung zu stillen, nämlich soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter. Dort kann jeder Post X-fach geteilt werden. Er erreicht somit unweigerlich auch solche Personen, für die er niemals gedacht war und das Netz vergisst nichts: Sämtliche Verfehlungen bleiben bis in alle Ewigkeit erhalten.
Wie viel Anerkennung ist gesund?
Der Wunsch nach sozialer Anerkennung ist ein Grundbedürfnis und somit erst einmal vollkommen gesund und normal. Menschen, egal welchen Alters, wollen gesehen werden, wahrgenommen werden, sich verstanden und akzeptiert fühlen dürfen. Wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass diese Bedürfnis mit zunehmendem Alter immer noch vorhanden ist, aber besser kompensiert werden kann. Die meisten Menschen sind sich jedoch auch darüber einig, dass gerade im Internet ein gesundes Maß nicht selten überschritten wird. Zum Beispiel im Fall von Drachenlord. Überschritten werden Grenzen dann, wenn das Bedürfnis stark übertrieben und sogar aggressiv artikuliert wird. So übertrieben und aggressiv, dass es anstelle von Zustimmung Ablehnung hervorruft. Drachenlord unternimmt immense Anstrengungen, um dafür die Anerkennung anderer zu erheischen, bewirkt aber damit genau das Gegenteil. Doch das scheint süchtige Internet-Nutzer nicht abzuhalten: Da wird selbst der Shitstorm, also eine Lawine übelster Schmähkritik, noch als „Belohnung“ gewertet. Und Dragonlord geht für diese Form von Anerkennung sehr weit – er ignoriert nicht nur die Bedürfnisse der Menschen in seinem Umfeld, sondern schadet sich selbst.Welche Form der Anerkennung wir bevorzugen und wie weit wir dafür gehen, das ist auf unsere frühen Kindheits-Erfahrungen zurückzuführen. Sie bewirken, dass unser Belohnungssystem mehr oder weniger stark aktiviert wird. Hier zeigt sich: Kinder mit sicheren und geborgenen Bindungsstrukturen reagierten stärker auf positive Zuwendung. Kinder aus dysfunktionalen Familien-Strukturen, die stark narzisstische Tendenzen mitbringen, haben dagegen Schwierigkeiten, solche Unterscheidungen zu treffen und handeln oft frei nach dem altbewährten Motto „Viel Feind', viel Ehr'“.
Fazit: Soziale Fähigkeiten in der realen Welt erwerben
Kinder und Jugendliche sind besonders anfällig für die echte oder vermeintliche Anerkennung, die sie aus den sozialen Medien bekommen. Man muss ihnen helfen, dieses Bedürfnis klar zu erkennen und sich auch ein Stück weit davon zu befreien, indem man es hinterfragt und erkennen lernt, wann es zum Selbstzweck oder gar zur Sucht wird.Sie sollten lernen, äußerliche Erfolge oder die Meinungen anderer nicht zum Maßstab für ihr persönliches Glück zu machen. Das setzt jedoch auch die Fähigkeit voraus, überhaupt erkennen zu können, welche Arten von Beziehung gut für sie sind, wie sich echtes Geben und Nehmen gestaltet und wie man stabile Beziehungen, die von Wertschätzung und Respekt geprägt sind, aufbaut und pflegt. Dazu benötigen sie vor allem ein gesundes Selbstbewusstsein sowie wohlwollende und annehmende Beziehungen. Solche Kenntnisse und Fähigkeiten können Kinder und Jugendliche nur im Rahmen der sozialen Gruppen erwerben - in der realen Welt. Sei es an der Schule oder zum Beispiel im Sport. Und falls sie dort nicht integriert sind, dann muss man dafür sorgen, dass sie eingebunden werden. Denn nur das wirkliche Leben bietet ihnen geeignete Lernfelder, um ihr Bedürfnis nach Anerkennung zu kanalisieren und zu kompensieren.
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Über den Autor/die Autorin
Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.