Runterkommen - Wie Kinder und Jugendliche dem Stress ein Schnippchen schlagen
Runterkommen - Wie Kinder und Jugendliche dem Stress ein Schnippchen schlagen
Depressionen, Angst- oder Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden nehmen zu, auch unter Schülern. Ausgelöst werden sie, so die übereinstimmende Meinung der meisten Gesundheitsexperten, durch Stress. Leistungs- und Zeitdruck sowie hohe Erwartungen werden immer wieder als Ursachen genannt.
Nach einer aktuellen Studie der DAK gibt fast die Hälfte aller Mädchen in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn an, unter Stress zu leiden, von den Jungen ist jeder Dritte betroffen. Oft zeigen Kinder schon im Grundschulalter Symptome, die durch Stress ausgelöst werden, doch gilt generell, dass mit steigendem Alter auch das Stressempfinden steigt.
Stress erkennen
Ob Ihr Kind unter Stress leidet, können Sie an diesen Symptomen erkennen. Nicht jede Müdigkeit oder Traurigkeit ist gleich ein Zeichen für ungesunden Stress. Doch treten ein oder mehrere dieser Zeichen über einen längeren Zeitraum auf und leidet das Kind darunter, kann das auf zu viel ungesunden Stress hindeuten:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Konzentrationsprobleme
- Schlechtere Noten
- Rückzug von Freunden und Familie
- Schlafstörungen
- Depressives oder aggressives Verhalten
- Kopf-/Rücken-/Bauchschmerzen
- Appetitlosigkeit oder Dauerhunger
Vorbild sein
Umso wichtiger ist es, rechtzeitig gegenzusteuern und wirksame Strategien zu finden, die beim Runterkommen helfen und gegen Stresserkrankungen vorbeugen. Eltern können ihre Kinder dabei unterstützen. Zunächst einmal durch das eigene Vorbild: Wenn Mama und Papa selbst ständig unter Strom stehen, ein Termin den nächsten jagt und Leistung und Performance große Bedeutung haben, ist es nicht verwunderlich, wenn Kinder diese Verhaltensweisen und Werte übernehmen.
Wer dagegen selbst auf Ausgleich im Alltag achtet, Arbeitszeiten nicht in den Abend oder ins Wochenende hinein ausdehnt, für gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf sorgt sowie das eigene Medienverhalten kritisch hinterfragt, hat für seine Kinder einen wichtigen Vorbildcharakter.
Sieben Strategien gegen Stress
Darüber hinaus können Eltern und Kinder gemeinsam einiges tun, um zu viel Stress zu begegnen.
Strategie 1: Ursachen finden
Nicht immer ist es Leistungsdruck, der zu Stress führt. Auch soziale Faktoren, Ärger mit den Eltern, Streit mit der besten Freundin, Mobbing in der Schule, eine Trennung, ein Trauerfall oder andere Ursachen können verantwortlich sein. Gerade jüngeren Kindern fällt es ungeheuer schwer, zuzuordnen, worin die Ursachen für den Stress eigentlich liegen. Eltern können hier begleiten und als Gesprächspartner offen sein. Erst wenn klar ist, woher der Stress genau kommt, lassen sich geeignete Möglichkeiten finden, ihn zu reduzieren.
Strategie 2: Anforderungen herunterschrauben
Leistungsdruck steckt sehr oft hinter Stresssymptomen. Oft sind es nicht einmal die Eltern, sondern Kinder und Jugendliche selbst, die sich unter Druck setzen und unbedingt mithalten wollen. Wenn klar wird, dass zu hohe Anforderungen die Ursache für Stress sind, müssen Wege gefunden werden, diese herunterzuschrauben. Eltern können sich bewusst machen, welchen Anteil sie an dem Leistungsdruck haben, den ihr Kind verspürt und gegensteuern. Jugendliche können durch Reflexion und Gespräche ebenfalls Handlungsmuster und feste Vorstellungen wie „ich muss 13 Punkte in Englisch herreichen“ entlarven, die für Stress sorgen.
Strategie 3: Für ausreichend Schlaf sorgen
Schlafmangel kann eine Folge von Stress sein, ist aber auch ebenso oft eine Ursache. Vor allem zu lange Bildschirmzeiten am Abend rauben vielen Jugendlichen den Schlaf und sorgen am nächsten Morgen für Leistungstiefs. Ausreichend Schlaf ist daher eine wichtige vorbeugende Maßnahme für alle Altersstufen.
Strategie 4: Bewegung
Sport und Bewegung können einen wichtigen Ausgleich für erhöhten Leistungsdruck in der Schule liefern. Zudem ist Bewegung auf vielerlei Weise wichtig für eine gesunde Entwicklung und das körperliche Wohlbefinden. Täglich 90 Minuten sollten sich Kinder und Jugendliche nach den nationalen Bewegungsempfehlungen täglich bewegen, wovon 60 Minuten das Zurücklegen von Wegen, z.B. per Rad, sein können. Doch kaum ein Kind oder Jugendlicher erfüllt diese Empfehlung - hier können Eltern gegensteuern und gezielt Sportkurse oder andere Aktivitäten vorschlagen.
Strategie 5: Freiräume
Ob Sport, basteln oder Bandprobe - Hobbys, die Freude machen und den Sinn auf etwas anderes lenken, als Schule, sind besonders effektive Anti-Stress-Helfer. Sie schaffen Freiräume im Kopf, sorgen für Motivation, die unabhängig von der Chemienote ist und helfen dabei, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Selbstverständlich muss nicht jedes Hobby zeitaufwendig und organisiert sein - auch Achtsamkeitsübungen oder ganz einfach das Faulenzen auf dem Sofa können die dringend benötigten Freiräume im Kopf eröffnen.
Strategie 6: Planen
Je chaotischer, desto überwältigender - das gilt auch für schulische Aufgaben. Klassenarbeit, Referat, Vokalbeltest, Orchesterprobe, kein Wunder, wenn das irgendwann zu einem unüberwindbaren Berg an Anforderungen wird, der Kinder oder Jugendliche zu überrollen scheint. Nicht immer ist es möglich, die reine Menge zu reduzieren - so bleiben Klausurenphasen Klausurenphasen und auch sonst häufen sich immer wieder die Termine und Anforderungen, ohne dass einzelne davon gestrichen werden können.
Vielen hilft in solchen Situationen ein klarer Zeitplan. Er hilft einen Überblick zu gewinnen, Aufgaben besser zu planen und Zeiten für bestimmte Inhalte zu reservieren. Hilfreich ist ein Tages- oder Wochenplan, in dem die notwendigen Tätigkeiten eingetragen werden. Je nach Vorliebe entsteht eine solche Liste täglich nach Schulende oder am Wochenbeginn. Eingetragen werden alle Punkte, die erledigt werden sollen, am besten mit einer genauen Beschreibung wie „Vokabelkarten schreiben“, den ungefähren Zeitbedarfen und natürlich auch kurzen Pausen. Nach Erledigung kann dann jede Aufgabe abgehakt werden.
Strategie 7: Ordnung
Es klingt banal, hat aber große Wirkung: Ordnung im Außen sorgt auch für Ordnung im Innen. Ein halbwegs aufgeräumtes Zimmer, ein leerer Schreibtisch, auf dem die notwendigen Materialien Raum finden, eine ausreichende Beleuchtung, gute Sitzgelegenheit und ausreichend Sauerstoff sind wichtige Voraussetzungen für gutes Lernen und Arbeiten. Das Vorbereiten des Arbeitsplatzes kann zu einem Ritual werden, das anzeigt: Jetzt nehme ich mir Zeit für meine Aufgaben.
Alexandra von Plüskow-Kaminski hat mehr als 20 Jahre als Grundschullehrerin gearbeitet und war als Fachberaterin tätig. Dabei war sie u.a. zuständig für die Übergänge von der Kita in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterführende Schule. Seit März 2022 koordiniert sie das Sprachbildungszentrum Lüneburg.