Probleme bei der Zahlerfassung

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von Jörg Sauer
Die Mathematik an sich oder das gleichnamige Schulfach stellt für viele von uns eine besondere Herausforderung dar. Vereinfacht und verkürzt hört man oft nur: „Das verstehe ich einfach nicht.“ Sicherlich gibt es einige Ursachen, die auch sehr individuell sein können. Eine der grundsätzlichen Schwierigkeit liegt in der sicheren Zahlenerfassung. Der Artikel möchte Ihnen Hinweise geben, um diese Probleme zu erkennen und zu verbessern.
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Die Mathematik an sich oder das gleichnamige Schulfach stellt für viele von uns eine besondere Herausforderung dar. Vereinfacht und verkürzt hört man oft nur: „Das verstehe ich einfach nicht.“ Sicherlich gibt es einige Ursachen, die auch sehr individuell sein können. Eine der grundsätzlichen Schwierigkeit liegt in der sicheren Zahlenerfassung. Der Artikel möchte Ihnen Hinweise geben, um diese Probleme zu erkennen und zu verbessern.

Interessantes zum Zahlbegriff

Zahlen sind die Ergebnisse von Denkoperationen. In der Realität existieren sie nicht. Man fasst gleichartige Dinge zu Mengen zusammen. Sind diese gleichmächtig (gleich viel), so erhalten sie einen Namen, die ganz bestimmte Zahl. Als Beispiel sei hier genannt: drei Birnen, drei Äpfel, drei Erdbeeren,… Diese wiederrum gehören zu dem Bereich der natürlichen Zahlen. Der italienische Mathematiker Guiseppo Peano (1858 bis 1932) charakterisierte diesen Bereich mit Hilfe von Axiomen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel, wie Urteil oder Grundsatz, der nicht mehr bewiesen werden muss.

Der Begriff der Zahl reicht weit in die Geschichte zurück. So fand man aus dem Jahr: „… 3.000 v. Chr. in „Königsschriften“ in Ägypten große Zahlen, wie „1.420.000 Ziegen“ als Beutezahl.“ (1)

Zahlen und Ziffern müssen voneinander abgegrenzt werden. Ziffern sind die Zeichen, wie eine Zahl geschrieben werden kann. In unterschiedlichen Kulturen nutzt man verschiedene Zahlschriften. Das können sowohl einfache Zeichen (Punkte, Striche,…), Buchstaben oder Ziffern sein. Vorherrschend sind heute die s. g. „arabischen Zahlschriften“. An Bauwerken aller Art findet man noch die Römischen Zahlen, die sich im Laufe der Zeit nicht durchsetzen konnten.

Entscheidend für die Bedeutung einer Ziffer ist deren Stellung, zum Beispiel 53 oder 35.

In unserer deutschen Sprache sprechen wir die Zahlen anders aus, als wir sie schreiben. Das kann für unsere Kinder eine Hürde sein. In vielen weiteren Sprachen ist das abweichend, zum Beispiel: einundzwanzig – twenty one.

Simultanes und quasi simultanes Erfassen von Anzahlen

Spricht man von der simultanen Anzahlerfassung, so meint man damit die Fähigkeit, bei unstrukturierten Mengen die Anzahl auf einen Blick zu erkennen. Das geschieht ohne zu zählen. Diese Fähigkeit ist von enormer Bedeutung für das grundlegende Verstehen des Zusammenhanges zwischen Zahl und Menge bzw. umgekehrt. Damit wird der Grundstein für das spätere Rechnen gelegt. Bereits im Kindergartenalter zeigt sich diese Fähigkeit. Denken Sie dabei nur an den Spielwürfel. Da das menschliche Wahrnehmungsvermögen nur begrenzt ist, kann man simultanes Erfassen von Mengen nur begrenzt trainieren.

Das gilt nicht für das quasi simultane Erfassen von Anzahlen. Dieses ist sehr wohl trainierbar. Eine wichtige Voraussetzung sollte erfüllt sein, die heißt: Mengen müssen aus Teilen bestehen. Das sind in der Regel zwei. Zwei Beispiele sollen das quasi simultane Erfassen verdeutlichen:
  • Mit Hilfe der eigenen Hände. Die Kinder wissen, dass eine Hand fünf Finger hat. So können sie recht leicht die Mengen sechs bis zehn mit Einbeziehung der anderen Hand erfassen.
  • Mit Hilfe einer Zehner Eierpackung: Sie haben gleich die günstige Fünfergliederung. Man spricht auch von der „Kraft der Fünf“. In die einzelnen Fächer können Sie nun Dinge Ihrer Wahl legen (Steinchen, Eicheln, Kugeln, …) In jedes Fach nur eines. Nun können Sie nach dem Vorbild der Finger Ihr Kind Mengen erfassen lassen, ohne zu zählen.
Weitere Beispiele finden Sie in dem Abschnitt „Tipps“.

Problem möglichst rechtzeitig erkennen

Grundlegend für die Mathematik ist es, dass die Kinder verstanden haben, was hinter den Zahlen steckt. Auf Dauer ist es nicht hilfreich, wenn Aufgaben auswendig gelernt werden.

Die Ursachen für Schwierigkeiten können sehr unterschiedlich sein. Ein hinreichendes Zeichen ist es, wenn Kinder ständig mit Hilfe der Finger einzeln zählen. Weitere Mängel können beispielsweise sein:
  • beim Weiterzählen von einer beliebigen Zahl aus, zum Beispiel der sieben,
  • beim Rückwärtszählen,
  • bei der genauen Zuordnung von Element – Zahl: Zu jedem Element (Stäbchen, Perle,…) wird genau ein Zahlwort zugeordnet. Problematisch kann es werden, wenn das Kind schneller/langsamer spricht, als es zeigt.
Sollten Sie sich unsicher sein, dann ist es empfehlenswert, mit den jeweiligen Pädagogen im Kindergarten oder der Schule das Gespräch zu suchen. Je eher, umso besser. Nichts ist schlimmer, wenn sich beim Kind eine Unlust und allgmeiner Frust aufbaut. Den und die damit verbundene Demotivation kann man sehr schwer wieder abbauen.

Tipps

Vom „Leben“ abschauen:
Nutzen Sie in besonderem Maße die unmittelbare Umgebung. Erlauben Sie Ihrem Kind, zu betrachten, zu beobachten, zu erkunden und lassen Sie deren Erkenntnisse oder Erlebnisse auf ihre Art darstellen bzw. zu erfassen. Greifen Sie die individuellen Interessen Ihres Kindes auf.

Nutzen Sie u.a.:
  • Zimmer, Garten, Wald, Spielplatz,…
  • Häuser, Bäume, Blumen, Früchte,… können für Betrachtungen scheinbar nebenbei genutzt werden
  • Anzahl bestimmter Autos ermitteln, dabei nach Farbe und ggf. Typ oder Marke klassifizieren
  • Anzahl der Waggons bei Zügen feststellen
Ihrer Kreativität und der Ihres Kindes soll nichts im Wege stehen.

Ganzheitliche Zugänge ermöglichen

Lassen Sie Ihr Kind die Zahlen erleben, zum Beispiel durch Erfühlen (mittels Fühlkisten oder Fühlsäckchen), Hören (Anzahl klopfen, trommeln, schlagen, klatschen,…), Sehen (Blinken mit der Taschenlampe, besonders abends zur hereinbrechenden Dämmerung auf einem Spaziergang,…), Bewegungsübung (Hüpfen auf der Stelle, mit dem Seil,…), „Blitzblick“, d.h.
  • Erfassen auf einem Blick – Würfelaugen
  • Nehmen Sie eine Zehner Eierpackung und legen zum Beispiel sieben leere Überraschungseier hinein und zeigen Sie kurz. Ihr Kind soll die Anzahl nennen. Bitte beachten Sie, dass in der ersten Schwierigkeit eine Fünferreihe komplett gefüllt ist. Das erleichtert das Erfassen. In der nächsten Schwierigkeit legen Sie die Überraschungseier beliebig in die Packung, aber jedes Ei nur in ein Fach. Statt der Eier können Sie natürlich Dinge Ihrer Wahl nehmen.
  • Punktbilder schnell zeigen, verdecken, Zahl ansagen
  • Sie können alle möglichen Bilder dafür nutzen, zum Beispiel vier Katzen, acht Hunde, sechs Fische,…
Schätzübungen kann man vielfältig einsetzen: Am besten ist es, die Schätzung zu überprüfen. Das kann durch Zählen oder unter Nutzung von Stützpunktzahlen (5, 10) geschehen. Hierbei nutzen Sie quasi die „Kraft der Fünf“:
  • Es ist das Ziel, strukturierte Zahlvorstellungen zu schaffen; zum Beispiel 5, 10, 15, 20.
  • Statisch Fingerbilder darstellen oder zeigen. Bitte machen Sie Ihrem Kind immer wieder bewusst, dass die einzelnen Finger nicht gezählt werden. Eine Hand hat immer fünf Finger.
  • Wie kannst du sieben Felder schnell sehen? Weshalb? Das lege ich so, weil… oder, ich zeichne es so, denn…
  • Das ist übertragbar auf das Verdoppeln, Halbieren oder Ergänzen.

Geeignete Übungsmaterialien

Zehner Eierpackung
Sie können gemeinsam mit Ihrem Kinde Recheneier aus Pappmaché herstellen und diese färben. Die Packung an sich kann kreativ umgestaltet werden. Somit erhält Ihr Kind noch eine besondere Beziehung zu den Dingen.

Schüttelbox
Als Material verwenden Sie eine leere Streichholzschachtel, einen kleinen Pappstreifen und Perlen o. ä. Der Pappstreifen wir im Inneren eingeklebt, so dass eine Lücke bleibt. Die Schachtel sollte dann unbedingt verziert werden. Nun füllen Sie die vorgegebene Menge an Perlen ein. Das könnten fünf sein. Ihr Kind schüttelt und öffnet dann die Schachtel. Die Zerlegung wird abgelesen und ggf. die Aufgabe gebildet.

Steckwürfel
Diese sind oftmals durch ihre farbliche Gestaltung motivierender als andere Materialien. Ein Nachteil besteht darin, dass manche Würfel sich nicht einfach ineinander stecken lassen. Vermeiden Sie das „zählende“ Arbeiten, ein s. g. vergleichendes Arbeiten ist notwendig.

Einige Beispiele für den Einsatz:
  • Mengen vergleichen („mehr“, „weniger“, „ gleich“)
  • Nachfolger und Vorgängerbildung
  • Baue zwei Türme aus fünf Würfeln.
  • Welcher Turm ist größer?
  • Welcher Turm ist der kleinere?
  • Ergänze den einen Turm um einen roten Würfel, den anderen um zwei Würfel.
  • Wie groß ist der Unterschied?
  • Tausche nun die Türme miteinander. Was stellst du fest?
  • Nimm von jedem Turm genau einen Würfel weg. Was stellst du nun fest?
Mit Hilfe der Steckwürfel lassen sich alle Grundaufgaben bis zehn erarbeiten. Darüber hinaus können sie eine große Hilfe für das „Kleine Einmaleins“ und für Lösen geometrischer Aufgaben sein.

Ketten mit Kugeln
Mit Hilfe dieser lassen sich Mengen gut zerlegen, zum Beispiel:
  • sieben Kugeln in vier und drei Kugeln,
  • sieben Kugeln in zwei und fünf Kugeln,….
Kugeln können Sie mit Ihrem Kind gemeinsam aus Pappmache` herstellen. Die Kugeln werden dann noch farbig angemalt. Somit hat Ihr Kind dann noch eine besondere emotionale Beziehung zu dem Material.

Ungeeignete Übungsmaterialien

Zahlenstrahl
Viele Kinder haben große Schwierigkeiten zu erfassen, dass die Ziffer unter dem Punkt für die Zahl steht.
Der Zahlenstrahl kann dann eine Ergänzung sein, wenn man die Zahl als Strecke versteht, zum Beispiel von Null bis acht als Zahl acht. Das ist für rechenschwache Kinder nicht einfach.
Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem kann die Null sein. Null bedeutet so viel wie nichts, weshalb erhält sie dann ein Strich auf dem Strahl?

Rechengeld
Es besteht die Gefahr des Zählens, gerade bei ein Cent oder ein Euro Stücken.
Für unterschiedlicher Geldstücke oder Scheine fehlt meist die Vorstellung und es kommt mehr und mehr zum Zählen.

Linktipps

http://studienseminar.rlp.de/fileadmin/user_upload/studienseminar.rlp.de/gs-nr/GS_-_Erstrechnen.pdf

https://www.spektrum.de/news/es-werde-zahl/893496

https://pikas-mi.dzlm.de/inhalte/zahlvorstellungen-tragf%C3%A4hige-vorstellungen-aufbauen-zr-bis-100/hintergrund/zahlen-schnell

https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/schule/schulentwicklung/Modellversuche_Schulversuche/SINUS-Grundschule-Berlin/materialien/rueckblick/erkner_2010/verboom/Verboom_Zahlbeziehungen%20erkennen.pdf

Quellen (1) http://mathenexus.zum.de

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Über den Autor/die Autorin
Autor Jörg Sauer

Jörg Sauer ist ausgebildeter Grundschullehrer und unterrichtet seit über 20 Jahren an einer Schule. Neben der Lehrertätigkeit führte er in den vergangenen Jahren zahlreiche Weiterbildungen über die Nutzung von Neuen Medien im Unterricht durch.

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