Wie besorgniserregend ist die Verrohung unserer Gesellschaft?
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Wie besorgniserregend ist die Verrohung unserer Gesellschaft?
von Christine Kammerer
Zahlreiche Menschen in Deutschland beobachten die Berichterstattung über Gewalttaten in den Medien mit großer Aufmerksamkeit. Viele von ihnen gewinnen dabei zunehmend den Eindruck, als ob die Verrohung insgesamt stetig und beängstigend zunimmt. Gleichzeitig drängt sich die Wahrnehmung auf, dass die Zuwanderung dafür irgendwie mitverantwortlich ist. Das hat verschiedene Gründe: Als der ehemalige deutsche Innenminister Thomas de Maizière Anfang 2016 die aktuelle die Kriminalitätsstatistik vorstellte, bezeichnete er die Verrohung der Gesellschaft plakativ als „besorgniserregend“. Doch die aktuellen Statistiken belegen, was auch führende Kriminologen bestätigen: Dies ist nicht der Fall.
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Zahlreiche Menschen in Deutschland beobachten die Berichterstattung über Gewalttaten in den Medien mit großer Aufmerksamkeit. Viele von ihnen gewinnen dabei zunehmend den Eindruck, als ob die Verrohung insgesamt stetig und beängstigend zunimmt. Gleichzeitig drängt sich die Wahrnehmung auf, dass die Zuwanderung dafür irgendwie mitverantwortlich ist. Das hat verschiedene Gründe: Als der ehemalige deutsche Innenminister Thomas de Maizière Anfang 2016 die aktuelle die Kriminalitätsstatistik vorstellte, bezeichnete er die Verrohung der Gesellschaft plakativ als „besorgniserregend“. Doch die aktuellen Statistiken belegen, was auch führende Kriminologen bestätigen: Dies ist nicht der Fall. Jedenfalls nicht stärker als früher auch schon. Um die Kirche gleich einmal im Dorf zu lassen: Die Gesamtzahl der Straftaten insgesamt blieb 2015 im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Lediglich im Bereich der Gewaltkriminalität war ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Diese Fakten sollten keinesfalls verharmlost werden. Eine sachliche Analyse wäre hier jedoch dem vor allem unter Politikern weit verbreiteten Hang zur Panikmache deutlich vorzuziehen.
Diese Agitationen sollen ganz bewusst provozieren. Sie sollen zu einer Verstärkung der Gegensätze zwischen Asylgegnern und Asylbefürwortern und damit zu einer Radikalisierung und Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses beitragen. So wurde zum Beispiel der Bürgermeister von Altena Andreas Hollstein (CDU) im November 2017 mit einem Messer angegriffen und zwar ausdrücklich deswegen, weil er sich für Flüchtlinge einsetzte.
Polizeiliche Kriminalstatistik(PKS)
Kriminalität im Kontext von Zuwanderung
"Wir erleben eine Verrohung unserer Gesellschaft"
Zuwanderung ist nicht die Ursache der Verrohung
De Maizière räumte gegen Ende seiner Amtszeit ein, dass der Anteil krimineller Handlungen, die durch Zuwanderer verübt wurden, 2015 überproportional zugenommen hat und das besonders bei den Gewaltdelikten. Verantwortlich dafür sei eine kleine Gruppe intensiver Mehrfachtäter. Für eine Auswertung ist aber vor allem eine Zahl interessant: 80 Prozent der Opfer der Kriminalität von Zuwanderern sind andere Zuwanderer. Das kann also lediglich als mögliches Indiz für andere Probleme und Konflikte gewertet werden, zum Beispiel auch solche, die durch die Wohnsituation entstehen. Es ist aber somit ganz klar kein Indiz für die Verrohung der Gesellschaft insgesamt. Die Antwort auf die Frage, ob wir die Verrohung gewissermaßen mit den Zuwanderern importieren, lautet eindeutig: „Nein.“ De Maizière konstatierte im April 2016, der Trend zur Verrohung habe bereits vor der Flüchtlingskrise eingesetzt. Indizien dafür seien die Verrohung der Sprache und eine allgemein um sich greifende Respektlosigkeit.Zuwanderung als ideologische Steilvorlage für Verrohung und Gewalt
Zuwanderung führt nicht unmittelbar zu Verrohung einer Gesellschaft. Sie liefert jedoch - gerade im Bereich der politisch motivierten Kriminalität - den Tätern Steilvorlagen und Anknüpfungspunkte für Propaganda, Aggression und Straftaten. Das rechtsextremistische Spektrum ist zwar ansonsten sehr heterogen und gespalten, nutzt aber die fortdauernde Aktualität der Flüchtlingsthematik erfolgreich, um innerhalb der unterschiedlichen Strömungen einen ideologischen Konsens zu generieren. Und wenn dieser Konsens nur darin besteht, Gerüchte zu kolportieren, dass Zuwanderer per se verroht, gewalttätig und kriminell seien.Diese Agitationen sollen ganz bewusst provozieren. Sie sollen zu einer Verstärkung der Gegensätze zwischen Asylgegnern und Asylbefürwortern und damit zu einer Radikalisierung und Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses beitragen. So wurde zum Beispiel der Bürgermeister von Altena Andreas Hollstein (CDU) im November 2017 mit einem Messer angegriffen und zwar ausdrücklich deswegen, weil er sich für Flüchtlinge einsetzte.
Erst die verbale Verrohung, dann die rohe Gewalt
Die Aktionen der Rechtsextremen heizen die Gemüter an, spalten die Gesellschaft und können schließlich sogar zur Eskalation in Form von Gewalttaten führen. Wie entfesselt die Aggression in der Gesellschaft bereits ist, das zeigt sich vor allem beim rauen Umgangston in den sozialen Medien. Hier wird gehetzt und agitiert. Faktisch wird in den Foren auch so mancher Brandsatz gelegt, der dann im wirklichen Leben in roher Gewalt mündet. Da wird schon lange nicht mehr debattiert oder ein konstruktiver Diskurs geführt, der sich an Sachfragen abarbeitet. Man ist schlichtweg dagegen – gegen was auch immer. Die Agitatoren haben ihre Position längst bezogen und scheuen keine Mittel, die eigenen Standpunkte vehement und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen. Wenn es sein muss mit Fake News und nötigenfalls auch mit konkreter Gewalt im realen Leben.Respekt! Der Verrohung gemeinsam entgegentreten
Die Verrohung unserer Gesellschaft zeigt sich nirgendwo so offen und deutlich wie in der zunehmenden Gewalt und Aggression gegenüber Polizeibeamten und Rettungskräften, aber auch gegenüber Politikern und Ehrenamtlichen. Angriffe in diesem Bereich haben „massiv“ zugenommen, stellte der ehemalige Innenminister de Maizière fest. Hier seien alle Teile der Gesellschaft aufgefordert, der Verrohung entgegenzutreten. Das bedeutet im Klartext: Auch die Familien und die Schulen müssen an dieser Aufgabe mitarbeiten. Die Freiheit ist ein kostbares Gut und wir alle sollten nicht mehr nur passiv zusehen, sondern aktiv werden, zum Beispiel indem wir keine Verbreitung von Unwahrheiten dulden oder gar unterstützen, verbale Attacken nicht einfach ignorieren, uns aktiv – im realen Leben genauso wie im Internet - um gegenseitigen Respekt bemühen und nicht zulassen, dass Menschen wegen ihrer Ansichten oder Eigenschaften beschimpft werden.Links
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Kriminalität im Kontext von Zuwanderung
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Über den Autor/die Autorin
Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.