Korrigieren oder nicht?
Umgang mit Rechtschreibfehlern
Korrigieren oder nicht?
Umgang mit Rechtschreibfehlern
„Das kint get in den tso“ schreibt Luisa in ihr Heft. Was die Erstklässlerin mit Stolz erfüllt, bereitet ihren Eltern eher Sorge. Wie viele Erziehungsberechtigte fragen Sie sich, ob Sie Rechtschreibfehler Ihrer Tochter korrigieren sollen. Oder ob es den kindlichen Lerneifer im Keim ersticken könnte, darauf hinzuweisen, dass der „tso“ eben doch ein Zoo sei.
Über kaum ein anderes Thema wird seit Jahren so ausufernd diskutiert, wie über den Schriftspracherwerb und den Umgang mit Rechtschreibfehlern in den ersten Schuljahren. Zunehmend in die Kritik geraten ist dabei die Methode „Lesen durch Schreiben“, bei der sich Schülerinnen und Schüler die deutsche Sprache über das Gehörte erschließen. Erwachsene sollen in diesen Prozess nicht eingreifen und Fehler nicht korrigieren. Die Methode wurde in den 1970er Jahren von dem Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen für den Primarschulbereich entwickelt und auch vom Grundschulverband befürwortet.
Umgang mit Rechtschreibfehlern: Nicht für alle eignet sich das freie Schreiben
Kritikerinnen und Kritiker bemängeln, dass vor allem Kinder mit Lernschwierigkeiten oder solche, die die deutsche Sprache nicht sicher beherrschen, bei der Gehör-Methode Probleme hätten. Auch wer kein lupenreines Hochdeutsch, sondern Dialekt spreche, sei benachteiligt. Diese Kinder benötigten eher einen strukturierten, aufeinander aufbauenden Lese- und Schreiblehrgang, während Schülerinnen und Schüler mit gut entwickelten Fähigkeiten im Heraushören von Lauten und Silben durch „Lesen durch Schreiben“ zum Verfassen eigener Texte motiviert würden und in den weiteren Schuljahren wenig Probleme hätten, die Rechtschreibung zu integrieren.
Statt sich zwischen Fibel und freiem Schreiben für eine Methode zu entscheiden, setzen viele Pädagoginnen und Pädagogen heute auf eine Methodenintegration. Sie plädieren dafür, das freie Schreiben aus dem Ansatz Lesen durch Schreiben in systematisch angelegte Schreiblehrgänge für die ersten Klassen aufzunehmen. Anlauttabellen sind heute schon in fast allen Fibeln enthalten und können, so die Expertinnen und Experten, auch helfen, den Kindern in den Anfangsmonaten wichtige Laut-Buchstaben-Beziehungen zu vermitteln. Es sei sinnvoll, die Kinder motiviert Texte schreiben zu lassen und eigene Wörter zu verschriftlichen und ihnen gleichzeitig orthografische Strategien zu vermitteln. Dazu könne auch ein verbindlicher Grundwortschatz gehören, der in etlichen Bundesländern heute wieder an den Grundschulen eingeführt wurde.
Umgang mit Rechtschreibfehlern
Im Umgang mit Rechtschreibfehlern sei es sinnvoll, orthografische Fehler zu korrigieren. Sobald ein Kind gelernt habe, den Lauten Buchstaben zuzuordnen (also phonetisch schreiben kann), könne man darauf aufmerksam machen, wie die „Erwachsenen-Schreibweise“ aussieht. Wenn also ein falsch geschriebenes Wort im Text auftaucht, können Lehrkräfte die „Erwachsenen-Schreibweise“ daneben schreiben oder einzelne Worte hervorheben. Wichtig sei jedoch, den Entwicklungsstand und die psychische Robustheit des Kindes im Auge zu behalten, um nicht zu entmutigen. Rückmeldungen und Fehlersensibilität sind wichtig, sollen aber nicht moralisierend, sondern anregend sein. Freude an der geschriebenen Sprache entsteht wie vieles eher über Lob, als über Kritik. Wichtiger als die absolut korrekte Rechtschreibung seien heute in jedem Fall die Kompetenzen Lesen und Verfassen von Texten.
Im Umgang mit Rechtschreibfehlern eignen sich diese Strategien:
- Klären Sie zunächst mit den Lehrkräften, inwieweit Hausaufgaben verbessert werden sollten.
- Bei Texten voller Rechtschreibfehler kann es helfen, den Text zum Vergleich noch einmal in „Erwachsenen-Schreibweise“ zu präsentieren.
- Gerade bei Schreibanfängern sind zu viele Regeln auf einmal aber nicht sinnvoll. Statt alles zu korrigieren ist es besser, sich auf einzelne Bereiche wie Großschreibung zu konzentrieren.
- Lesen hilft beim Schrifterwerb – lesen Sie Ihrem Kind daher viel vor und regen Sie es, wenn es soweit ist, dazu an, selbst vorzulesen und zu lesen.
- Spielerisch üben bringt oft mehr, als nur pauken – Stadt-Land-Fluss, Leselern-Spiele, Buchstabensuppe, Kreuzworträtsel oder Scrabble sind nur einige Beispiele
- Geschriebenes sollte im Alltag der Familie allgegenwärtig sein – Bücher, Zeitschriften, Einkaufszettel, kleine Briefe, Magnetbuchstaben am Kühlschrank helfen Ihrem Kind, sich die Welt der Schrift zu erschließen
Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.