Haul und Unboxing - neue Werbeformen im Internet

Wissen und Bildung
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von Christine Kammerer
>Wenn Kaufentscheidungen anstehen informieren sich Kinder und Jugendliche vorab über Produkte wie selbstverständlich im Internet. Als Quelle dienen meist Bewertungen anderer Nutzer in sozialen Netzwerken, zum Beispiel YouTube-Videos, die von Privatpersonen produziert wurden. Ihre Inhalte werden im Unterschied zur Werbung von Unternehmen als authentisch und sympathisch empfunden. Sie genießen daher eine hohe Glaubwürdigkeit. Inzwischen handelt es sich jedoch bei den Inhalten immer häufiger nicht mehr um echte Verbrauchermeinungen, sondern um gekaufte Bewertungen. Die Filmemacher stellen die Produkte natürlich gerne sehr positiv dar, weil sie schlicht dafür bezahlt werden. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil Kinder und Jugendliche oft nicht mehr unterscheiden können, ob es sich noch um Unterhaltung oder schon um Werbung handelt.
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Wenn Kaufentscheidungen anstehen informieren sich Kinder und Jugendliche vorab über Produkte wie selbstverständlich im Internet. Als Quelle dienen meist Bewertungen anderer Nutzer in sozialen Netzwerken, zum Beispiel YouTube-Videos, die von Privatpersonen produziert wurden. Ihre Inhalte werden im Unterschied zur Werbung von Unternehmen als authentisch und sympathisch empfunden. Sie genießen daher eine hohe Glaubwürdigkeit. Inzwischen handelt es sich jedoch bei den Inhalten immer häufiger nicht mehr um echte Verbrauchermeinungen, sondern um gekaufte Bewertungen. Die Filmemacher stellen die Produkte natürlich gerne sehr positiv dar, weil sie schlicht dafür bezahlt werden. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil Kinder und Jugendliche oft nicht mehr unterscheiden können, ob es sich noch um Unterhaltung oder schon um Werbung handelt.

Haul

Das englische Wort „haul“ steht für „Fang“, „Ausbeute“ oder „Fischzug“. Die von Privatpersonen - meist von jungen Frauen - gedrehten Hauls sind demnach Videos, in denen die Ausbeute eines Einkaufs auf Videoportalen wie YouTube öffentlich zur Schau gestellt wird. Auf solchen „Fischzügen“ werden zum Beispiel Kleidung, modische Accessoires oder Kosmetikartikel „erbeutet“. Neben den Fashion-Hauls gibt es aber auch Food-Haul-Videos, bei denen gerade eingekaufte Lebensmittel im Mittelpunkt stehen. Die Urheber erzählen in diesen Videos von ihrem Shopping-Erlebnis und nennen Details zum gekauften Produkt wie Preis, Größe, Herkunft etc. Anschließend folgen häufig Ratschläge und Empfehlungen zum Produkt und zu seiner optimalen Nutzung.

Natürlich geht es so ganz nebenbei für die Akteure auch darum, einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit zu erlangen. Je größer die Reichweite, d. h. je mehr Aufmerksamkeit der Produzent innerhalb im Internet bekommt, desto größer sind auch seine Chancen, mit den Videos Geld zu verdienen. Community und Freunde können natürlich auch mithilfe der auf solchen Portalen üblichen Kommentar-Funktionen ein Feedback zu den vorgestellten Produkten abgeben.

Bei Haul-Videos stehen also zunächst einmal private Erfahrungsberichte und der Austausch mit der Community im Vordergrund. Die Videos werden meist zu Hause in den eigenen vier Wänden abgedreht und gewinnen durch diese sehr persönliche Atmosphäre an Glaubwürdigkeit. Die Videos werden nicht ausdrücklich als Werbebotschaften der Firmen produziert, deren Marken darin vorgestellt werden. Aber natürlich haben die großen Unternehmen die positive Wirkung der privaten Videos längst erkannt. Hinzu kommt nämlich, dass in Haul-Videos selten etwas Negatives über die Produkte ausgesagt wird. Das liegt vermutlich darin begründet, dass die Käufer das vorgestellte Produkt gar nicht erst kaufen würden, wenn sie es nicht wirklich haben wollten. Wenn sie sich also für ein Produkt entschieden haben, berichten sie nach dem Kauf in aller Regel auch positiv darüber. Und genau dieser Aspekt macht Haul-Videos für das Sponsoring von Marken-Werbetreibenden besonders attraktiv.

Die Unternehmen honorieren die Video-Produzenten für die Zurschaustellung ihrer Produkte entweder durch unmittelbare Geld-Zuwendungen oder durch kostenlose Belieferung mit Produkten. Zusätzliche Einnahmen können die Produzenten erzielen, indem sie am Partnerprogramm von YouTube teilnehmen und in ihren Videos Werbung einblenden. Bezahlte Inhalte kann man häufig daran erkennen, dass
  • die Wortwahl mit Floskeln gespickt ist, die in der Werbung typisch sind,
  • manche Formulierungen sogar exakt mit offiziellen Werbeslogans übereinstimmen und die Produzenten
  • das Produkt mit übertriebene Lobeshymnen besingen.

Unboxing

So ganz neu ist auch dieser Trend nicht. Er zeichnete sich bereits seit dem Jahr 2006 ab. Damals waren es noch hauptsächlich technikbegeisterte junge Männer – in der Regel so genannte Early Adopters (frühzeitigen Anwender), die ihre neuesten Errungenschaften und Gadgets mit der ganzen Welt teilen wollten. Und tatsächlich gab es Millionen von Menschen, die sich für solche Videos interessierten. Die Amateur-Filmer dokumentierten zunächst, wie sie das Paket mit ihrem neuesten Technik-Spielzeug an der Tür in Empfang nahmen. Dann öffneten sie vor der laufenden Video-Kamera langsam und genüsslich die Verpackung und ließen die Zuschauer am gesamten Prozess von der Öffnung über das Einrichten bis hin zum Höhepunkt – dem Einschalten – teilhaben. Den gesamten Vorgang kommentierten sie natürlich gleichzeitig ausführlich und sachkundig.

Kritik: Werbung wird verschleiert

Was sich zunächst so harmlos entwickelte, hat inzwischen faktisch zu neuen Werbeformen gemausert, denn sehr schnell hat die Werbebranche das Potenzial der Videos erkannt. Privates und Kommerzielles geht fließend ineinander über, der werbliche Charakter steht bewusst im Hintergrund oder wird verschleiert. Die Vermischung von redaktionellen Inhalten und Werbung ist jedoch häufig schon für erwachsene Konsumenten kaum noch zu unterscheiden. Kinder und Jugendliche sind mit solchen Inhalten aber regelmäßig überfordert.

Die jungen Nutzer werden dem Anschein nach mit Themen aus ihrem eigenen Alltagsbezug gut unterhalten. Sie werden aber gleichzeitig auch manipuliert und instrumentalisiert, indem sie dazu animiert werden, die Inhalte und damit auch die Werbebotschaften zu teilen. Die Videos machen sich dabei die Art der Kommunikation in den Sozialen Medien zunutze, denn dort können sich solche Botschaften in Sekundenschnelle sehr weit verbreiten, was wiederum den Werbetreibenden sehr zugute kommt.

Rechtliche Situation: Noch ist die Kontrolle mangelhaft

Die Vereinigten Staaten haben bereits Gesetze erlassen, um die Produzenten von Inhalten aller Art im Internet zu regulieren. Zwar ist es dort erlaubt, kostenlos Waren anzunehmen und Werbung zu schalten, aber Geschenke oder Zahlungen müssen vollständig und eindeutig offenbart, Markennamen genannt und Sponsoren angegeben werden, damit ein Produkt überprüft werden kann.

Nach deutschem Recht muss der durchschnittlich informierte Nutzer erkennen können, ob es sich um Werbung handelt oder nicht, andernfalls ist das Video mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen. Die Pflicht zur Kennzeichnung von kommerzieller Kommunikation festgeschrieben ist in § 6 Telemediengesetz (TMG) festgeschrieben. Außerdem gelten verschiedene Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie wurden ins Leben gerufen, um Verbraucher vor irreführenden Informationen zu schützen und verbieten ausdrücklich die Verschleierung des Werbecharakters oder als Informationen getarnte Werbung.

Haul- und Unboxing-Videos bewegen sich häufig nicht mehr nur in einer Grauzone, sondern schon jenseits der geltenden rechtlichen Grundsätze. Diese Normen sollen vor allem für Werbewahrheit und Transparenz in der Werbung sorgen. Sie werden häufig nicht eingehalten und eine lückenlose Kontrolle ist praktisch unmöglich.

Fazit: Die richtigen Fragen stellen

Lehrer und Eltern können Kindern und Jugendlichen einige Instrumente an die Hand geben, um Werbebotschaften im Internet zu enttarnen. Dazu gehören zum Beispiel auch gezielte Fragestellungen an die Inhalte der Videos:

1. Handelt es sich um Unterhaltung, Information oder Werbung?
2. Bezieht sich der Inhalt auf ein bestimmtes Produkt und dessen Eigenschaften?
3. Ist das Ziel, die Absicht, der Zweck hauptsächlich kommerziell?
4. Ist es ein privates Video?
5. Kannst Du erkennen, wer das Video
a) produziert und
b) finanziert hat?
6. Gibt es einen Sponsor?
7. Gibt es ausreichend Hinweise auf
a) den Sponsor,
b) den Werbecharakter,
c) das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Produzenten?
8. Welchen Einfluss hat der Sponsor oder das Unternehmen auf die Inhalte?

Links

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Telemediengesetz

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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