Schreibtrend Grundschrift

Wissen und Bildung
© Zlatan Durakovic - Fotolia.de
von Ulrike Lindner
Wie Kinder am besten schreiben (und lesen) lernen, welche Fähigkeiten sie dafür benötigen, was ihnen hilft und wie nicht zuletzt eine allgemeingültige Rechtschreibung gelernt wird, darüber wird seit Jahrzehnten gestritten. Seit 2011 ist die Debatte um einen Begriff reicher: die Grundschrift.
Lesedauer:
2 min
Wie Kinder am besten schreiben (und lesen) lernen, welche Fähigkeiten sie dafür benötigen, was ihnen hilft und wie nicht zuletzt eine allgemeingültige Rechtschreibung gelernt wird, darüber wird seit Jahrzehnten gestritten. Seit 2011 ist die Debatte um einen Begriff reicher: die Grundschrift.

Entwickelt wurde das Konzept von einer Expertengruppe im Auftrag des (privaten) Grundschulverbands. Anders als die Schreibschrift, die Schulanfänger sonst lernen (auch „Ausgangsschrift“ ge-nannt), besteht die von den Experten erfundene Grundschrift aus schlichten, leicht les- und schreibbaren Druckbuchstaben. Jeder Buchstabe enthält am Ende eine kleine Anschlussstelle (ein Häkchen oder einen kleinen Strich), über die er sich mit dem folgenden Buchstaben verbinden lässt. Denn auch in der Grundschrift sollen die Buchstaben „gebunden“ geschrieben werden und nicht – wie etwa in einem gedruckten Text – einfach nebeneinander stehen. Wie in ausgeschriebenen Erwachsenenschriften müssen aber auch in der Grundschrift nicht alle Buchstaben eines Wortes verbunden sein, sondern die Verbindungen werden individuell, entsprechend einem eigenen Bewegungsrhythmus, gesetzt.

Vorteile der Grundschrift

Der Vorteil der Methode, so der Grundschulverband, bestehe darin, dass so eine flüssigere und vor allem persönliche Schreibbewegung entstehe. Zudem werde damit ein unnötiger Lernumweg vermieden, da aus der Schreibschrift ohnehin eine individuelle Erwachsenenschrift erwachse. In den Schriften von Erwachsenen seien die einst mühsam gelernten Verbindungen und Schreibweisen der Ausgangsschrift ohnehin kaum noch zu erkennen. Wozu also wichtige Lernzeit in das Einüben einer Schreibschrift zu investieren, die sich wenige Jahre später zur individuellen Handschrift verändere? Vor allem schwächere Schüler heißt es, täten sich mit den einfacheren Formen der Grundschrift leichter, als mit den Schnörkeln und Schleifen der Schreibschrift.

Kinder könnten die Grundschrift leichter lernen und so schneller und ohne Umweg eine persönliche, flüssige Schrift entwickeln. Damit werde außerdem ihre Eigenständigkeit beim Lernen gefördert, weil jedes Kind seine persönliche Schrift entwickeln müsste. Eine vergleichbare Schrift wird bereits seit einiger Zeit in der Schweiz eingesetzt. Die „Basisschrift“ wird mittlerweile in mehreren Kantonen gelehrt. Auch Kanada und die USA setzen zunehmend auf das alleinige Erlernen einer Druckschrift, die sogar ganz ohne Verbindungen zwischen den Einzelbuchstaben auskommt.

Das ist für Deutschland nicht geplant. Auch die Grundschrift-Befürworter wollen eine Schrift, in der die Buchstaben ineinander übergehen. Und: Plädiert wird für ein genaues Üben der Bewegungsabläufe beim Schreibenlernen.

Gegenargumente

In Deutschland führen Gegner der Methode an, dass die Grundschrift zur Abschaffung der Schreib-schrift führen könnte. Damit würde leichtfertig eine wichtige Fähigkeit aufs Spiel gesetzt: die Fähig-keit, eine allen gemeinsame lesbare Schrift zu schreiben. Auch würden sich die Schreibschrift-Buchstaben viel mehr voneinander unterscheiden, als in der Grundschrift (z.B. beim kleinen b und d, die ohnehin oft verwechselt werden).

Auch das Erlernen der Rechtschreibung werde durch die Schreibschrift unterstützt. Erst durch häufige Wiederholungen und automatisierte, flüssige Schreibbewegungen werde die richtige Schreibweise im Gehirn abgespeichert. Und nicht zuletzt: Erst- und Zweitklässler wären überfordert mit der Aufgabe, Einzelbuchstaben eigenverantwortlich zu flüssiger Schrift zu verbinden.

Bis jetzt fehlen für beide Standpunkte belastbare Untersuchungen. Aus diesem Grund plädieren viele Wissenschaftler dafür, vor der Einführung einer neuen Schrift erst einmal empirische Belege zu sammeln, ob damit eine Verbesserung oder womöglich doch eine Verschlechterung der aktuellen Situation einhergeht. Dieser Linie folgt auch die Mehrheit der Bundesländer. Zwar wird die Grundschrift aktuell an etlichen Schulen erprobt, zunächst aber soll die herkömmliche Schreibschrift als Standard erhalten bleiben.
Beitrag teilen:
Themen:
Grundschrift
Ausgangsschrift
Schreibenlernen
Schreibschrift
Basisschrift
Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

Weitere Beiträge lesen