30. Todestag von Simone de Beauvoir

Das Bild zeigt den englischen Lexikoneintrag für Existenzialismus in Nahaufnahme, ohne die komplette Definition zu liefern.
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von Anna Bahr

Intellektuelle, Feministin, Existentialistin. Der Name Simone de Beauvoir steht bis heute für selbstbestimmtes Denken und Handeln. Im April 2016 jährte sich der Todestag der französischen Philosophin und Schriftstellerin zum 30. Mal.

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Geboren am 9. Januar 1908 in Paris, ist Simone de Beauvoir die ältere von zwei Schwestern. Schon als junges Mädchen liest und schreibt sie viel. Ihre Schulausbildung absolviert sie am katholischen Mädcheninstitut Cours Désir. Doch ihre Abkehr vom Glauben schockiert die Eltern. 1926 beginnt die 18-Jährige ihr Philosophiestudium an der Pariser Sorbonne. Bereits ein Jahr später schreibt sie ihre Diplomarbeit und bereitet sich nebenbei auf die agrégation, die Lehrerlaubnis, an der Sorbonne und der Ecole Normale Supérieure (ENS) vor. Im Jahr 1929 besteht sie die agrégation als Zweitbeste. Den ersten Platz belegt Jean Paul Sartre, ein junger Student, den de Beauvoir gerade kennengelernt hat. Der Denker wird ihr weiteres Leben entscheidend prägen. In den folgenden Jahren nimmt sie immer wieder Aufträge als Lehrerin an. Während des zweiten Weltkrieges bleibt sie in Paris und schließt unter anderem Freundschaft mit Albert Camus und Pablo Picasso. 1943 wird sie aus dem Schuldienst wegen „Verführung Minderjähriger“ entlassen. Sie veröffentlicht ihren ersten Roman „Sie kam und blieb“. Es folgen philosophisches Essays, Dramen und Romane. 1949 wird ihr Buch „Das andere Geschlecht“ veröffentlicht. Die darin formulierte These „Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu gemacht" dient bis heute als Grundlage feministischer Diskussion. Sie widmet sich weiter politischen und gesellschaftskritischen Themen und bezieht Stellung gegen den Algerienkrieg. Neben verschiedenen Beziehungen zu Männern, die jedoch scheitern, bleibt ihre Beziehung zu Sartre konstant. Die beiden unternehmen viele Reisen, unter anderem nach Japan. 1971 unterschreibt die Autorin das französische Manifest zur Abtreibung. Zusammen mit anderen prominenten Frauen bekennt sie "J'ai avorté" - Ich habe abgetrieben. Am 14. April 1986 stirbt sie in Paris und wird neben Sartre auf dem Friedhof Montparnasse beerdigt.

Simone de Beauvoir und die Freiheit

Simone de Beauvoires Leben war vor allem eins: unkonventionell. Ihre Entscheidung für ein Leben jenseits vorgefertigter Schablonen macht sie für viele Frauen bis heute zur Leitfigur. Wissbegierig taucht sie als junge Frau in das Pariser Leben ein. Bei ihren zahlreichen Gesprächen in Cafés und Nachtbars zusammen mit Sartre und anderen Denkern geht Künstlern geht es um nichts weniger als das Leben des Einzelnen. Der Begriff Existentialismus formt sich und wird zum Leitgedanken einer ganzen Gruppe junger Intellektueller. Die größte Herausforderung dabei scheint aber der Kampf mit der eigenen Freiheit zu sein. Die Feststellung, dass die Welt in keiner festgelegten Ordnung existiert, führt in die Einsicht radikaler Freiheit. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht“, beschreibt Sartre die Möglichkeit des Menschen mit seiner persönlichen Freiheit umzugehen. Das wiederum bedeutet Verantwortung. In diesem Sinne gestaltet de Beauvoir Regeln für ihr Leben. Die Konsequenz ist, dass sie ihren Geliebten Sartre nicht heiratet, denn die Ehe sei: „beschränkende Verbürgerlichung und institutionalisierte Einmischung des Staates in Privatangelegenheiten.“ Es ist auch ihre Entscheidung, die Beziehung zu Sartre frei von irgendwelchen Zwängen zu gestalten. Ihr Leben lang verbringen die beiden in getrennten Wohnungen, ohne Kinder, ohne Verpflichtungen. Beiden ist es auch erlaubt, so verabreden sie es, sexuelle Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten. Neben einigen Affären ging die Denkerin auch eine ernsthafte Verbindung zu dem amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren ein. Einige Jahre später führte sie eine Beziehung mit dem Filmemacher Claude Lanzmann. Mit ihm teilt sie sich sogar eine Wohnung. Und trotzdem blieb die intellektuelle und emotionale Verbindung mit Sartre über 50 Jahre erhalten.

Das andere Geschlecht

Erst mit über vierzig Jahren schreibt de Beauvoir ihr bis heute immer wieder zitierte Buch „Das andere Geschlecht“. „Anfangs hat es mich überhaupt nicht dazu gedrängt, mich jemals besonders mit Problemen des Feminismus zu beschäftigen. Für mich ist es ein Buch, das ich ohne Abneigung, ohne Feindseligkeit geschrieben habe, ich habe bloß versucht, etwas richtigzustellen. Versucht, ein wenig zu systematisieren, versucht, in dem Ganzen etwas Wahres, den wahren Kern, freizulegen, und ebenso wollte ich einen existentialistischen Standpunkt einzunehmen, eine singuläre Perspektive auf eine Gesamtheit von Tatsachen. Es ging überhaupt nicht darum, etwas Neues oder Außergewöhnliches oder Erstaunliches zu tun, sondern vielmehr um Richtigkeit.“
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bestehe nicht in naturbedingten Gegebenheiten, konstatiert die Schriftstellerin. Der Unterschied zwischen Mann und Frau sei kulturell geformt.
Auf fast 900 Seiten untersucht de Beauvoir die Rolle der Frau in der Biologie, in der Geschichte, in der Religion, der Sexualität und der Psychologie.
Drei Jahre arbeitet die Philosophin an diesem Werk. Bis heute hat das 1949 erschienene sprachlich dicht gewebte Buch nichts an Aktualität eingebüßt. Immerhin steht jede Generation erneut vor der Herausforderung ihr Leben zu gestalten. Ihr Buch liefert zudem theoretische Grundlagen für die bis heute geführten Diskussionen über Feminismus - in Deutschland stark geprägt von Alice Schwarzer. Allerdings, so die Frauenrechtlerin Schwarzer, sei de Beauvoir nicht auf „den feministischen Aspekt zu beschränken“. Und trotzdem, so Schwarzer weiter, gibt es „keine Zeile, die nicht durchdrungen wäre von der Tatsache, dass sie eine Frau ist in einer Männerwelt."

Quellen und Filmtipp

Quellen:
Bair, Deidre: Simone de Beauvoir. Eine Biographie. btb/Goldmann. München 1990
Marion Kremer: Simone de Beauvoir: » www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/simone-de-beauvoir
Schwarzer, Alice in: Spiegel Nr. 2/7.8.2008

Filmtipp:
Film: Der Liebespakt: Simone de Beauvoir und Sartre (Regie:Ilan Duran Cohen)

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Über den Autor/die Autorin

Anna Bahr hat an der Universität Leipzig ihr Germanistik- und Philosophiestudium abgeschlossen. Seit einigen Jahren arbeitet sie als freie Redakteurin. Ihre thematischen Schwerpunkte sind Kinder und Familie sowie Kunst und Kultur.

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