Sexting: Für immer nackt im Internet
Sexting: Für immer nackt im Internet
Es ist ein Spiel mit den Reizen und die Suche nach Anerkennung: Viele Jugendliche verschicken per Smartphone Nacktbilder von sich selbst. Doch nicht immer bleiben die Bilder auch vertraulich beim Empfänger. Einmal losgelassen, können die freizügigen Bilder bis ins Erwachsenenalter für Probleme sorgen.
Die 13jährige Hope aus Florida schwärmte für einen Jungen an ihrer Schule. Sie wollte ihm imponieren und schickte ihm ein Bild von ihren nackten Brüsten. Der Junge bekam das Bild zwar, reagierte aber nicht darauf. Er löschte das Bild aber auch nicht. Eine fatale Vorlage für den Zufall: Ein anderes Mädchen bekommt das Handy des Jungen in die Hände und findet Hopes Foto. Sie leitet das Bild an Freunde weiter. Schon ein paar Tage später kursiert das Foto von Hope an allen Schulen der Umgebung. Sie wird zur Zielscheibe von Spott und fiesen Beleidigungen, bekommt Ärger mit den Eltern, wird sogar zeitweise vom Unterricht suspendiert. Hope kann dem Druck nicht standhalten. 2009 nimmt sie sich das Leben.
Sexting ist keine neue Erfindung
Sexting ist ein neuer Begriff für ein altes Phänomen. Schon immer haben Paare sich erotische Bilder geschenkt oder sich gegenseitig fotografiert. Der Vorteil früher: Die Bilder konnten nicht so unkompliziert weitergereicht werden, wie heute. Es gab Negative, die vernichtet werden konnten. Heute wird digital und direkt per Smartphone fotografiert, per Klick sind die Bilder in Sekundenschnelle in aller Welt. Harald Schmidt von der Kriminalprävention des Bundes und der Länder in Stuttgart warnt: "Wer seine Bilder online verschickt, zum Beispiel über soziale Medien, gibt die Kontrolle darüber in weiten Teilen ab."
Und tatsächlich: Wer zum Beispiel ein Bild über den Messanger-Dienst Whatsapp verschickt, überträgt seine Nutzungs- und Bildrechte automatisch an den Anbieter. So steht es in den AGBs. "Und auch bei einer Löschung des Bildes, wie der Anbieter Snapshot sie z.B. garantiert, ist nicht gesagt, dass der Empfänger das Bild vor der Löschung nicht schnell noch per Screenshot abspeichert", warnt der Experte.
Bilder für die virtuelle Ewigkeit
Alles, was im Internet landet, bleibt auch dort - diese Regel sollten Kinder und Jugendliche kennen. Olivia Förster vom Verein Blickwechsel e.V. in Hamburg bietet Schulen Workshops zum Thema Cyber-Mobbing an. "In den Kursen ist Sexting ist auch immer wieder ein Thema." Schon Grundschüler berichten ihr von Erfahrungen. Ein Viertklässler habe zum Beispiel ein Foto seines Penis an die WhatsApp-Gruppe der Klasse geschickt. Im Nachhinein gab es dazu einige Fragen zu klären: War der Junge sich seines Tuns bewusst, sollte es ein Spaß sein oder wollte er austesten wie er beim anderen Geschlecht ankommt? Förster bringt die Kinder zum Nachdenken: "Was kann man noch tun, wenn dieses Foto unerlaubt weitergegeben wird und die Spirale der Bloßstellung anfängt sich zu drehen?"
Fakten: Die Schweizer James-Studie hat gezeigt, dass rund 6 Prozent der Handybesitzer im Kinder- und Jugendalter schon mal erotische Bilder von sich selbst verschickt haben.
Unbedarft und naiv
Kinder und Jugendliche wachsen wie selbstverständlich mit einem Smartphone in der Hand auf. Damit zu spielen, Nachrichten und Bilder zu verschicken, macht Freude und verbindet sie mit ihrem sozialen Umfeld. Das Problem: Viele Kinder sind sich der Risiken nicht bewusst, gehen zu offen mit persönlichen Daten und Bildern um. Nacktbilder an den festen Freund oder die feste Freundin zu verschicken, gilt als ein Vertrauens- oder Liebesbeweis. Dass diese junge Liebe vielleicht nicht ewig hält, wird nicht bedacht. Was passiert mit meinen Bildern, wenn wir nicht mehr zusammen sind? Können sie vielleicht auch gegen mich verwendet werden? Kann mein Freund mir damit drohen, wenn wir uns zerstritten haben?
Kriminalexperte Schmidt warnt: "Nacktbilder können Jugendlichen auch noch viele Jahre später Probleme machen, zum Beispiel bei Bewerbungen." Googelt der potenzielle Arbeitgeber den Namen des Bewerbers und findet dann Nacktbilder im Netz, hinterlässt das erstmal keinen guten Eindruck.
Doch was tun?
Eltern sollten ihre Kinder schon beim Kauf eines Smartphones über die Risiken aufklären. Verbieten können Eltern das Spiel mit den freizügigen Fotos natürlich nur schwer, aber es können zumindest Empfehlungen im Umgang damit ausgesprochen werden.
Diese 5 Tipps sind besonders wichtig:
- Verschicke nur Bilder von dir, zu denen du auch stehst! Frag dich vor dem Versenden: Finde ich mich so schön? Möchte ich mich so der Welt zeigen?
- Anonymisiere deine Bilder! Mache Nacktbilder immer so, dass man dein Gesicht nicht sieht. Achte darauf, dass keine Tattoos, Muttermale oder Zimmerhintergründe sichtbar sind, die dich sofort erkennbar machen.
- Wenn du Nacktbilder auf deinem Smartphone hast, schütze dein Gerät mit einem Passwort. Lass dein Handy nicht unbeaufsichtigt liegen.
- Bevor du ein Nacktbild an einen Schwarm verschickst, frage deine beste Freundin/deinen besten Freund, ob sie/er das auch machen würde. Schlaf noch eine Nacht drüber!
- Lass dich nicht unter Druck setzen! Wenn ein Freund Nacktbilder von dir fordert, sag, dass du das nicht machen möchtest. Wenn er dann die Freundschaft kündigt, war es sowieso kein guter Freund!
Erste Hilfe für den Notfall
Wenn Bilder in fremde Hände gelangt sind, gilt es schnell zu reagieren. Schritt 1: Screenshots von den beteiligten Prozessen machen: Wer hat das Bild wann und an wen weitergeleitet? Private Bilder ohne Genehmigung weiterzuleiten, ist nämlich verboten und kann zur Anzeige gebracht werden! Bei Bildern die der Kinderpornographie zugerechnet werden (also Geschlechtsorgane von Personen unter 14 Jahren zeigen) ist jedes Weiterleiten sowieso eine Straftat.
Nehmen Sie deshalb schnell Kontakt zu den Eltern der anderen Kinder auf, bitten Sie um Löschung. Auch mit Hilfe von Klassenlehrern oder Schulsozialarbeitern kann ein Vorgehen besprochen werden, das dann vielleicht die ganze Klasse einbindet. Der letzte Weg führt zur Polizei: Hier kann gegen andere User Anzeige erstattet werden.
Wichtig zu wissen: Alle Versuche, das Problem einzudämmen, bieten keine 100% Sicherheit, dass die belastenden Bilder auch tatsächlich verschwinden. Ein Restrisiko, dass sie doch irgendwann wieder auftauchen, ist immer gegeben.
Mehr Infos zum Thema bieten die Internetseiten
www.handysektor.de
www.checked4u.de
www.klicksafe.de
Bettina Levecke ist freie Journalistin aus der Nähe von Bremen. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesundheit, Familie und Nachhaltigkeit.