Lese-Rechtschreib-Schwäche - erkennen und fördern

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von Dr. Birgit Ebbert
Laut Klassifizierung der WHO (World Health Organization) über Krankheiten und ähnliche Beeinträchtigungen ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche eine Entwicklungsstörung, bei der die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten nicht altersgemäß ausgeprägt sind. Diese Störung betrifft je nach Studie und Statistik zwischen 5 und 10 % der Kinder eines Jahrgangs.
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LRS - eine Lernschwäche mit Langzeitwirkung


Laut Klassifizierung der WHO (World Health Organization) über Krankheiten und ähnliche Beeinträchtigungen ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche eine Entwicklungsstörung, bei der die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten nicht altersgemäß ausgeprägt sind. Diese Störung betrifft je nach Studie und Statistik zwischen 5 und 10 % der Kinder eines Jahrgangs.

Die Ursachen sind vielfältig, es ist von einer genetischen Veranlagung die Rede, auch Kinder mit einer verzögerten Hör- und Sprachentwicklung zeigen häufig eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. Was nun genau zu dem Problem führt, kann nicht an einem Faktor festgemacht werden. Es ist die Mischung aus Veranlagung, Entwicklung, Umfeld, Anregungen und auch Erfahrungen, die dazu führt, dass ein Schüler eine Lese-Rechtschreib-Schwäche entwickelt.

Für den Schüler ist die Kenntnis der Ursachen nur bedingt hilfreich, für ihn ist wichtig, dass seine Probleme erkannt werden, Hinweise für Anzeichen finden sich in Kapitel 2 und wie mit ihm und seinem Problem umgegangen wird.
Und im Umgang mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche gibt es viele Unterschiede wie Kapitel 3 zeigen wird. Vor allem, was die schulische Unterstützung angeht, ist das Bundesland, in dem ein Schüler zur Schule geht, entscheidend dafür, ob er zum Beispiel mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche auf das Gymnasium wechseln darf oder nicht. Es gibt zwar Grundsätze für den Umgang mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche. Wie diese Vorgaben jedoch umgesetzt werden, hängt vom Bundesland ab, in manchen Bundesländern sogar von der Schule oder dem Lehrer.

Umso wichtiger ist es, dass Eltern sich hinter ihr Kind stellen und es immer wieder aufmuntern, auch wenn der gute Aufsatz wegen der Rechtschreibung wieder mit einem Mangelhaft bewertet wird. Lese-Rechtschreib-Schwäche endet übrigens nicht, wie es oft den Anschein hat, mit dem Schulabschluss. Daher gehe ich in Kapitel 4 noch darauf ein, wie Erwachsene sich selbst helfen können und wo sie Hilfe bekommen, wenn sie von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche betroffen sind. Kapitel 5 ist den weiterführenden Hinweisen gewidmet, mit Links zu Hintergrundinformationen und Organisationen, die sich für Lese-Rechtschreib-Schwache engagieren, und einer Auswahl an Literatur für diejenigen, die sich tiefer in das Gebiet einarbeiten möchten.

Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche erkennen


Es ist nicht leicht, Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche von Schülern zu unterscheiden, die momentane Lese- oder Rechtschreibprobleme haben, weil sie zum Beispiel eine Regel nicht verstanden haben oder eine Sehschwäche nicht erkannt wurde.Es gibt jedoch Anzeichen, die auf eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hindeuten. Sollte ein Schüler diese über einen längeren Zeitraum und gebündelt zeigen, ist es sinnvoll, ihn auf eine Lese-Rechtschreib-Schwäche testen zu lassen:
  • Das Zusammenziehen der Buchstaben gelingt auch in der zweiten Klasse selten, zum Beispiel "m - a" statt "mmmaaa".

  • Die Wortstruktur wird nicht wahrgenommen, zum Beispiel werden Silben nicht und Reimwörter nicht erkannt.

  • Wortgrenzen werden nicht eingehalten, die Abstände zwischen den Wörtern werden also nicht wahrgenommen.

  • Buchstaben werden weggelassen, weil sie doch in einem anderen Buchstaben enthalten sind, zum Beispiel "Bsn = Be - es - en = Besen"

  • Buchstaben, die spiegelbildlich sind (b - d, p - q, a - e, E - 3), werden verwechselt.

  • Zusätzliches Üben in Familien und Förderunterricht blieb erfolglos.

  • Lesen und Schreiben werden auch in positiven Zusammenhängen vermieden, zum Beispiel bei Spielen, bei der Internetnutzung.

  • Nach eineinhalb bis zwei Schuljahren kann der Schüler noch nicht Wörter & kleine altersgerechte Texte lesen, in denen die bis dahin behandelten Buchstabe-Laut-Beziehungen vorkommen.

  • Nach eineinhalb bis zwei Schuljahren schreibt der Schüler noch nicht lautgerecht, also so wie er spricht.

  • Der Schüler kann auch einfache Rechtschreibregeln wie Sp statt Schp nicht umsetzen.


Um herauszufinden, ob ein Schüler eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hat, ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich, zu der neben einem Lese- oder Rechtschreib-Test häufig eine Überprüfung der Sprachentwicklung und der Intelligenz gehört. Das ist aber nicht immer so, es gibt Institute oder Schulpsychologen, die sich ausschließlich auf einen Rechtschreibtest oder die Auswertung eines Diktates verlassen. Falls Eltern oder Lehrer den Eindruck haben, der Test sei nicht aussagefähig, sollten sie in jedem Fall nachfragen, auf welche Weise das Ergebnis zustande gekommen ist und welche Tests eingesetzt wurden.
Gängige Tests sind unter anderem:
  • Basiskompetenzen für Lese-Rechtschreibleistungen (BAKO)
  • Deutscher Rechtschreibtest (DERET)
  • Diagnostischer Rechtschreibtest (DRT)
  • Ein Leseverständnistest (ELFE)
  • Hamburger Schreibprobe (HSP)
  • Lese-Rechtschreib-Test (SLRT)
  • Münsteraner Rechtschreibanalyse (MRA)
  • Rechtschreibtest (RST)
  • Salzburger Lese-Screening (SLS)
  • Weingartener Grundwortschatz Rechtschreibtest (WRT)
  • Westermann Rechtschreibtest (WRT)
  • Zürcher Lesetest (ZLT)
  • Zürcher Leseverständnistest (ZLVT)


Lernschwache Schülerinnen und Schüler begleiten


Die Schwäche macht sich auch außerhalb des Deutschunterrichtes bemerkbar, Bücher können nicht so schnell gelesen und Liebesbriefe und E-Mails sind nicht plötzlich fehlerlos, nur weil sie nichts mit dem Schulunterricht zu tun haben. Überall hakt es und überall fallen die Fehler auf. Das nagt zusätzlich am Selbstbewusstsein. Zur Begleitung von lese-rechtschreib-schwachen Schülern gehört daher vor allem, sie immer wieder auf ihre Stärken hinzuweisen und Erfolgserlebnisse herauszustreichen.

Wichtig ist, die Schüler aus dem Teufelskreis "Ich kann nicht lesen." oder "Ich kann nicht schreiben." herauszuholen. Auch beim Lernen gibt es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wer sich schon einredet und wem das eingeredet wird, dass das Diktat schief geht, der verrennt sich leicht und schreibt dann eben wieder alles falsch.

Bei der Begleitung von Schülern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche sind Fingerspitzengefühl, Zugewandtheit und Kreativität erforderlich. Daneben ist entscheidend, vom Schüler aus zu denken und sich klar zu machen, was zum Beispiel eine Seite voller roter Fehlerstriche für ihn bedeutet und was es bedeutet, wenn unter einem Diktat steht, dass zwar immer noch viele Fehler enthalten sind, aber ein Fehlertyp kaum noch vorkommt. Es gibt bereits Lehrer, die bei LRS-Schülern statt der Fehlerwörter die richtigen Wörter unterstreichen, um zu zeigen, wie viel schon richtig ist. Gerade bei LRS-Schülern führt der ständige Blick auf die Fehler dazu, dass sie sich immer minderwertiger fühlen.
Mit kleinen Tricks lässt sich das ändern, zum Beispiel:
  • Die Fehler nach Kategorien bzw. Rechtschreibregeln ordnen, um zu prüfen, wo es bereits Verbesserungen gibt.

  • Die richtigen Wörter zählen und nicht die Falschschreibungen und einen Richtigkeitsquotienten bilden statt eines Fehlerquotienten.

  • In Aufsätzen und anderen Nicht-Diktaten die Rechtschreibung nicht bewerten.

  • Den Schüler mit sich selbst vergleichen und gemeinsam mit ihm analysieren, wo er sich schon verbessert hat, zum Beispiel in den Bereichen, die in einer Lerntherapie oder im Förderunterricht bearbeitet wurden.

In manchen Bundesländern haben die Schüler mit einer diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Schwäche ein Recht auf einen sogenannten "Nachteilsausgleich".
Dieser kann so aussehen, dass
  • die Rechtschreibnote ausgesetzt wird,
  • die Rechtschreibung in anderen Arbeiten und Fächern nicht berücksichtigt wird,
  • mehr Zeit für eine Arbeit gegeben wird, damit der Text mit oder ohne Wörterbuch korrigiert werden kann

Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln. Es lohnt sich für Eltern und Schüler jedoch, diese zu recherchieren und die Lehrer ggf. darauf anzusprechen. Nicht immer wird automatisch umgesetzt, was möglich ist.

Eher selten gelingt es, Lehrern und Eltern Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche im Schul- und Familienalltag so zu fördern, wie sie es brauchten. Auch der schulische Förderunterricht zeigt oft nicht die Ergebnisse, die von ihm erwartet werden. Das ist nicht verwunderlich, weil die Ausprägung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche von Schüler zu Schüler unterschiedlich ist und es nicht ausreicht, nur die Rechtschreibregeln zu wiederholen und laut Lesen zu trainieren. Meist muss das Vertrauen der Schüler in ihre Fähigkeiten wieder gestärkt werden und das ist in einer Gruppe von acht bis zehn Schülern nur begrenzt möglich. Hier bietet sich eine Lerntherapie oder eine andere außerschulische Förderung als Alternative an. Diese muss jedoch in den meisten Fällen von den Eltern finanziert werden, nach § 35a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist nur in bestimmten Situationen eine Förderung über das Jugendamt möglich. Auch hier lohnt es sich, sich kundig zu machen und am besten mit dem zuständigen Lehrer und/oder Lerntherapeuten beim Jugendamt die Möglichkeiten auszuloten.

Im Vordergrund sollte immer der Schüler stehen und zwar nicht nur mit seinen Lese- und Rechtschreibproblemen, sondern mit all den Folgen, die diese mit sich bringen.

Als Erwachsener mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche umgehen


Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche endet wie eine Fehlsichtigkeit oder körperliche Beeinträchtigung nicht mit dem 18ten Geburtstag oder dem Schulabschluss. Sie darf aber auch die Berufswahl nicht über Gebühr behindern. Zwar kann jemand mit einer Fehlsichtigkeit nicht Pilot werden und wer im Rollstuhl sitzt, wird kaum Kranführer werden, aber diese Beeinträchtigungen lassen doch viele andere Berufe zu. Lesen und Schreiben muss man in jedem Beruf, nicht nur als Schriftsteller, Journalist oder Lehrer. Selbst Handwerker müssen Aufträge, E-Mails und Rechnungen lesen und schreiben. Die Berufswahl sollte daher auch bei lese-rechtschreib-schwachen Schülern an den Interessen und Lebenszielen orientiert sein. Wichtig ist vielmehr, sich der Möglichkeiten zu bedienen, die es gibt, um trotz einer Lese-Rechtschreib-Schwäche alles zu machen:
  • Mit einer Software und einer guten Soundkarte kann man sich Texte vorlesen lassen.

  • Einige Internetseiten bieten sogar an, dass man sich die Texte vorlesen lassen kann. Was vor allem für Sehschwache gedacht ist, kann leseschwachen Menschen ebenfalls nützlich sein.

  • Die Rechtschreibprüfung am Computer schafft schon einen Großteil der Fehler weg.

  • Wörter, die häufig falsch geschrieben werden oder in denen besonders viele Rechtschreibfallen lauern, lassen sich im Textverarbeitungsprogramm als Autotext hinterlegen, sodass sie automatisch richtig geschrieben werden.

Studenten sollten sich unbedingt erkundigen, welche Erleichterungen ihre Universität für Menschen mit Beeinträchtigungen vorsieht. So wie es für Studenten mit bestimmten Erkrankungen eine Aufhebung der Anwesenheitspflicht geben kann, erlauben manche Universitäten auch Studenten mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche zum Beispiel ihre Klausuren am Computer zu schreiben, um die Zahl der Rechtschreibfehler zu reduzieren. Das ist von Universität zu Universität unterschiedlich geregelt, Anlaufstelle ist in der Regel die Beratungsstelle für Studenten mit Behinderungen.

Links & Literatur


Links
Literatur

  • Birgit Ebbert:
    Susa, Timo und die Buchstabenverschwörung. Kinderroman zum Thema LRS.
    Arena 2013

  • Birgit Ebbert::
    Rechtschreibförderung bei LRS. Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe I.
    Care-Line 2010

  • Marcus Hasselhorn, Wolfgang Schneider, Harald Marx (Hrsg.)::
    Dieagnostik von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Tests und Trends.
    Hogrefe 2000

  • Andreas Mayer::
    Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen.
    Reinhardt 2010

  • Gerd Schulte-Körne::
    Elternratgeber Legasthenie. Frühzeitig erkennen. Optimal fördern.
    Gezielt therapieren.
    Knaur 2004

  • Waldemar von Suchodoletz (Hrsg.)::
    Therapie bei Lese-Rechtschreib-Störung (LRS).
    Traditionelle und alternative Behandlungsmethoden im Überblick.
    Kohlhammer 2003

  • Günther Thomé::
    Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) und Legasthenie:
    Eine grundlegende Einführung.
    Beltz 2004

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Über den Autor/die Autorin

Dr. Birgit Ebbert ist freie Autorin und als Diplom-Pädagogin seit vielen Jahren in der Elternarbeit und Lehrerfortbildung tätig. Neben Kinderbüchern und Krimis schreibt sie Elternratgeber, Lernhilfen, Vorlesegeschichten und Bücher über kreatives Arbeiten mit Papier.

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