Helikopter-Eltern

Entwicklung und Erziehung
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von Ulrike Lindner
Sie begleiten ihr Kind in die Schule, helfen ihm die Jacke aus- und die Hausschuhe anzuziehen und überwachen mit Argusaugen jeden Fortschritt in Deutsch oder Mathe. Auch in der Freizeit sind Helikopter-Eltern selten fern, wenn sie Tochter oder Sohn zum Geigenunterricht, Golfen oder Englisch-Training chauffieren, die Freunde bewirten und über jeden Schritt per Handy begleiten.
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Sie begleiten ihr Kind in die Schule, helfen ihm die Jacke aus- und die Hausschuhe anzuziehen und überwachen mit Argusaugen jeden Fortschritt in Deutsch oder Mathe. Auch in der Freizeit sind Helikopter-Eltern selten fern, wenn sie Tochter oder Sohn zum Geigenunterricht, Golfen oder Englisch-Training chauffieren, die Freunde bewirten und über jeden Schritt per Handy begleiten.

Allgegenwärtige Präsenz

So allgegenwärtig ist die Präsenz der Eltern, dass nicht nur mehrere Universitäten Eltern bereits zum Draußenbleiben aufgefordert haben, sondern vor einigen Monaten sogar ein Grundschuldirektor mit einem offenen Brief Alarm geschlagen hat. Sein Problem: Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, parken so chaotisch vor dem Schulgelände, dass sie damit andere gefährden.

Das Phänomen der Helikopter-Eltern verdankt seine Bezeichnung dem eingängigen Bild eines elterlichen (Beobachtungs-) Hubschraubers, der allzeit über den eigenen Kindern kreist, um den Nachwuchs vor allen Gefahren und Anfechtungen des Alltags zu schützen. Beschrieben wurde der überbeschützende Erziehungsstil erstmals in den USA, doch auch in Deutschland diskutieren die Experten längst über die Frage, wie schädlich die damit verbundene Überbehütung und ständige Kontrolle auf die Dauer sind.

Schädliche Auswirkungen des Erziehungsstils

So halten einige Erziehungsexperten wie der dänische Familientherapeut Jesper Juul Überbehütung sogar für schädlicher als Vernachlässigung, Ignoranz und Desinteresse der Eltern. Eltern, die eine möglichst weitreichende Kontrolle ihrer Kinder anstrebten, wollten tatsächlich nur sich selbst nutzen: Sie wollten glückliche und erfolgreiche Kinder haben, um sich selbst als kompetent erleben zu können.

Auch andere Fachleute warnen aber vor zu viel Behüten, speziell wenn es um ältere Kinder und Jugendliche geht, weil die wichtigen Fähigkeiten der Selbständigkeit und des Überwindens von Schwierigkeiten dabei leicht auf der Strecke bleiben. Unselbstständigkeit gepaart mit hohen Ansprüchen sei die Folge des "Helikopterns", das eine Generation von lebensunfähigen Egoisten produziere, so die Fachleute. Eltern die so handeln seien selbst orientierungslos und überehrgeizig. Wichtiger, als Kindern jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen, sei es ihnen Werte und emotionale Stabilität zu vermitteln und es zur Widerstandfähigkeit und Selbstständigkeit anzuleiten.

Keine Panikmache

Andere wiegeln ab und warnen vor unnötiger Panikmache. Das Bedürfnis von Eltern ihre Kinder zu beschützen und ihnen einen möglichst guten Start ins Leben zu verschaffen sei gar nicht neu. Ebenso wie die Jugend durch jede Generation verteufelt werde, sei auch die Kritik am Erziehungsstil der Eltern schon seit der Antike en vogue.

Die Warnungen vor vermeintlich falschem Erziehungsstil ("Eltern-Bashing") hätten nur das eine Ziel, verunsicherte Eltern in die Arme von selbst ernannten Fachleuten zu treiben und die Verkaufszahlen der Ratgeber-Literatur in die Höhe zu treiben. Ob tatsächlich der Erziehungsstil so wesentlich für die Charakterbildung sei, wie oft behauptet, sei zudem keineswegs bewiesen, und für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen seien ohnehin eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich. Schließlich habe sich auch die Gesellschaft verändert, so dass der Ruf nach den erzieherischen Zuständen der achtziger und neunziger Jahre nicht realistisch sei. Mehr Einzelkinder, ein veränderter Blick auf die Bedürfnisse von Kleinkindern und viele ältere Eltern, die Kinder und Familie als sinnstiftendes Projekt ansehen, gehörten zu den Ursachen.

Fazit, so viele Experten, solle sein, Kinder altersgemäß zu fördern und auch das Fordern nicht zu vergessen. Nur durch Freiräume und eigene Erfahrungen könnte zudem Eigenständigkeit, Konfliktfähigkeit und weitere lebenswichtige Fertigkeiten trainiert werden.
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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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