Betten machen und Brote schmieren: Wie werden Kinder selbständig?

Ein Kind im rosafarbenen Zimmer macht sein rosafarbenes Bett.
Entwicklung und Erziehung
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von Bettina Levecke

Die Suppe auf dem Herd warm machen? Klappt! Selbst was kochen? Keine Ahnung! Ob Geschirrspüler bedienen oder Fenster putzen: So mancher Jugendlicher ist in Haushaltsdingen komplett überfordert. Experten raten zu frühzeitiger Förderung.

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Auf der Klassenfahrt das Bett selbst beziehen, sich nach einem langen Schultag etwas Warmes zu essen zubereiten oder die Schuhe putzen: Müssen Jugendliche das können? "Eindeutig ja", sagt Klaus Wolf, Professor für Sozialpädagogik an der Universität Siegen. Denn: "Die Fähigkeit, den Alltag eigenständig bewältigen zu können, gehört zum Erwachsenwerden dazu." Eltern die ihren Kindern diese Lernerfahrungen ersparen, halten Kinder in der Abhängigkeit, warnt der Experte.

"Das natürliche Bedürfnis selbständig werden wollen, zeigen Kinder schon in den ersten Lebensjahren", erklärt Wolf. Sie wollen Dinge selber tragen, den Tisch decken, staubsaugen oder die Wäsche von der Leine nehmen. Professor Wolf rät: "Lassen Sie Ihr Kind die Dinge ausprobieren, für die es Interesse signalisiert, auch wenn das Ergebnis natürlich noch zu wünschen übrig lässt."

Jedes Kind ist anders

Tipps oder Empfehlungen, welche Aufgaben Kindern eines bestimmten Alters aufgetragen werden sollten, möchte der Professor nicht geben: "Kinder sollten ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert werden."
Auch Helga Gürtler, Diplom-Psychologin und Autorin aus Berlin findet es schwer, pauschal zu sagen, was Kinder wann können müssen: "Immer wieder gibt es diese Listen auf denen steht, ab vier können Kinder dies und jenes. Das kann man aber nicht verallgemeinern."
Gürtler empfiehlt Eltern auf die Signale des Kindes zu achten, zum Beispiel diese:

Will das Kind sich alleine die Hände waschen?
Will es beim Kuchenbacken helfen?
Sich sein Frühstücksbrot alleine schmieren?

"Lassen Sie Ihr Kind diese Dinge tun", sagt Gürtler. Das vieles dabei nicht so klappe, wie gewünscht - die Hände trotz Waschens noch dreckig, das Brot mit viel zu viel Margarine belegt - müssten Eltern akzeptieren und aushalten. "Oft nehmen Eltern ihren Kindern die Dinge dann ab, damit es schneller oder besser geht - so lernen die Kinder aber nichts", sagt Wolf.

Wer Erfahrungen sammeln möchte, muss nämlich auch Fehler machen dürfen. Dazu gehört zum Beispiel die Einsicht, dass Essen anbrennt, wenn man es nicht rührt oder Teller kaputt gehen, wenn man sie nicht fest in der Hand hält.

Eltern brauchen Geduld

Wolf räumt ein, dass die Warterei für Eltern nicht immer einfach ist: "Man muss schon eine Menge Geduld mitbringen, wenn man Kinder machen lässt." Aber der Einsatz zahle sich aus: "Der Lohn der Mühe ist, dass die Kinder von mal zu mal besser werden und die Aufgaben immer schneller gelöst werden."

Alternative: Anreize schaffen

Ulrich Gerth von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung aus Fürth empfiehlt Eltern, den Kindern spezielle "Übungs-Möglichkeiten" zu geben, z.B. eine eigene Schublade oder ein Spielschrank in der Küche, damit auch die Kleinen schon ein- und ausräumen können. "Oder geben Sie Ihrem Kind einen kleinen Wischeimer, wenn Großputz angesagt ist." Bei vielen alltäglichen Aufgaben sollten Eltern sowieso darauf achten, die Kinder einzubinden: "Kinder müssen lernen, wie man Gemüse kleinschneidet oder einen Tisch deckt."

Teenagern den Sinn erklären

Was bei jüngeren Kindern noch freiwillig läuft, ist bei Teenagern schon schwieriger: Sie haben oft keinen Bock auf langweilige und anstrengende Hausarbeit. Erziehungsexperte Gerth rät: "Erklären Sie Ihrem Kind, das seine Hilfe notwendig ist."

Jugendliche, die es gewohnt sind, mitzuhelfen, haben in der Regel bereits den nötigen "Gemeinschaftssinn" entwickelt, um zu erkennen, dass ihre Verweigerung nur zu einem Ziel führt: Jemand anderes muss ihre Aufgaben übernehmen. "Über diese Folgen kann man offen sprechen", sagt Professor Wolf und erklärt: "Es ist wichtig, dass man den Jugendlichen das Gefühl gibt, dass ihre Hilfe gebraucht wird."

Tipps gegen linke Hände

Rosa Wäsche nach dem ersten selbständigen Waschgang? Verbranntes Essen in der Pfanne? Wenn die Erziehung zur Selbständigkeit verpasst wurde und der bequeme Jugendliche zwei linke Hände hat, gilt es Mut zu machen. Die Experten empfehlen Eltern, konkrete Motivation zu geben: Wäre es nicht toll, der Freundin ein leckeres Essen kochen zu können? Auf Reisen zu wissen, wie man Flecken aus der Kleidung bekommt? Eltern können sich als Coach anbieten, um ihren fast erwachsenen Kindern noch das nötige Know-How beizubringen.

Sollten alle Versuche zur nachträglichen Selbständigkeits-Erziehung nichts bringen, sollten Eltern das akzeptieren. Professor Wolf macht Mut: "Die Jugendlichen werden ihren Weg so oder so schon finden." Spätestens in der Wohngemeinschaft müssten sie lernen, sich mit den Bedürfnissen und Anforderungen ihrer Mitmenschen auseinanderzusetzen. "Und da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als irgendwann die Waschmaschine anzustellen."

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Über den Autor/die Autorin
Foto Bettina Levecke

Bettina Levecke ist freie Journalistin aus der Nähe von Bremen. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesundheit, Familie und Nachhaltigkeit.

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