Gedenkstättenarbeit mit Kindern und Jugendlichen

Wissen und Bildung
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von Dr. Lisa Mundzeck
Gedenkstätten eignen sich besonders gut, um auch Kindern und Jugendlichen einen Eindruck in die Geschichte der Ereignisse zu bieten, für die sie stehen.
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Gedenkstätten Zeugen der Vergangenheit Sie sollen Mahnmal sein und sind gleichzeitig wichtige Wissensvermittler: Gedenkstätten als Zeugen der Vergangenheit.

Konzentrationslager, Friedhöfe, Gefängnisse oder Erschießungsstätten zeigen Ausschnitte aus dem Leben der Häftlinge bzw. Toten etc. und vermitteln einen meist beklemmenden Eindruck dessen, was an diesen historischen Stätten stattgefunden hat. Ihr Charakter als historische Orte bringt mit ihnen die Vergangenheit zum Sprechen - Dauerausstellungen zur Geschichte der Ereignisse und des Ortes bieten ausführliche Informationen, um sich mit den historischen Geschehnissen auseinanderzusetzen.

Gedenkstätten mit ihrem Charakter als tatsächliche Orte des Geschehens eignen sich deswegen besonders gut, um auch Kindern und Jugendlichen einen Eindruck in die Geschichte der Ereignisse zu bieten, für die sie stehen. Gleichzeitig ist beim Umgang mit ihnen besondere Sensibilität gefragt, offenbaren sie doch meist grauenhafte Geschehnisse aus unserer Geschichte, denen die Kinder und Jugendliche an Ort und Stelle ganz nah begegnen.

In der Bundesrepublik bieten sich für einen Gedenkstätten-Besuch mit Kindern und Jugendlichen vor allem die zum Nationalsozialismus und der DDR an. Hier können sie anschaulich sehen, was es hieß, in der DDR oder der Zeit des Nationalsozialismus zu leben.

Die Gedenkstätten selbst haben oftmals ein breites Angebot für Kinder und Jugendliche, um als außerschulische Lernorte außerhalb des Klassenzimmers anschaulichen Geschichtsunterricht stattfinden zu lassen.
Konzentrationslager Bergen-Belsen Geschichte Die Gedenkstätte Bergen-Belsen erinnert an das Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen, in dem während des nationalsozialistischen Regimes rund 20.000 Kriegsgefangene und ca. 50.000 KZ-Häftlinge ums Leben kamen.

Mahnmale und Gräber sollen die Erinnerung an das Leid der Kriegsgefangenen und Häftlinge erinnern. Eine umfangreiche Dauerausstellung informiert im Dokumentationszentrum über die Geschichte des Lagers Bergen-Belsen und seiner Opfer.

Die Geschichte
Nach der Einrichtung eines Truppenübungsplatzes durch die Wehrmacht bei Bergen in der Lüneburger Heide, ca. 60 Kilometer nördlich von Hannover, in den 1930er Jahren, wurden die entstandenen Baracken ab 1940 als Kriegsgefangenenlager für belgische und französische Soldaten genutzt. 1941 wurden 20.000 sowjetische Kriegsgefangene auf dem Gelände untergebracht, ohne dass jedoch für sie Unterkünfte zur Verfügung standen, so dass sie bis in die kalten Wintermonate im Freien hausen mussten. Ein Großteil dieser Gefangenen starb durch Unterkühlung und Entkräftung.

1943 richtete die SS ein Austauschlager für Juden ein, die die Nationalsozialisten gegen internierte Deutsche im Ausland oder gegen Materialien austauschen, d.h. verkaufen wollten.

Ab 1944 wurden immer wieder Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern in Bergen-Belsen untergebracht, u.a. aus Auschwitz (so auch Anne Frank und ihre Schwester).

Anfang 1945 wurden Zehntausende von Häftlingen aus frontnahen KZ nach Bergen-Belsen "evakuiert" und das Lager dadurch hoffnungslos überfüllt. Unterernährung, Krankheiten und Kälte führten zum Massensterben der Menschen.

Mitte April 1945 wurde das Konzentrationslager von britischen Truppen befreit. Die Baracken des Lagers wurden wegen Seuchengefahr vollständig abgebrannt, die Toten in Massengräbern bestattet. Auch nach der Befreiung starben noch ca. 14.000 Menschen an den Folgen der Haft im KZ.

Von 1945 bis 1950 bestand ein Camp für so genannte Displaced-Persons in den ehemaligen Wehrmachtskasernen.
Konzentrationslager Bergen-Belsen Entstehung Mit dem jüdischen Mahnmal wurde 1946, ein Jahr nach der Befreiung des Lagers, der Grundstein für die Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagers gelegt. Noch im gleichen Jahr folgte die Einweihung des sowjetischen Mahnmahls auf dem Kriegsgefangenenfriedhof Bergen-Belsen.

Ab 1947 wurden ein Obelisk und eine Inschriftenwand auf Anordnung der britischen Militärregierung errichtet, bevor 1966 das Dokumentenhauses mit einer Ausstellung zur Geschichte des KZ Bergen-Belsen eröffnet wurde. Seitdem gab es verschiedene Neugestaltungen (wie beispielsweise die des Kriegsgefangenenfriedhofs oder die Eröffnung des Hauses der Stille).

2008 wurde außerdem ein neues Ausstellungsgebäude eingeweiht. Neugestaltungen auf dem Außengelände der Gedenkstätte sollen folgen.

Geprägt ist die Gedenkstätte neben dem modernen Dokumentationszentrum vor allem von einem weitläufigen Außengelände auf dem Gebiet des ehemaligen Lagergeländes. Da die Baracken aus hygienischen Gründen (Seuchengefahr) nach der Befreiung abgebrannt wurden, sind Gebäude nicht mehr zu vorhanden. Dennoch gibt es von einigen Grundmauern zu besichtigen, die von Jugendlichen im Rahmen von Jugendworkcamps freigelegt worden sind, so zum Beispiel einige Baracken der Häftlinge oder die so genannte "Entlausungsstation". Auf dem Außengelände sind es daneben vor allem die zahlreichen Massengräber, die an die Toten erinnern.
Außerschulischer Lernort Angebote für Kinder und Jugendliche Als "außerschulischer Lernort" bietet die Gedenkstätte Bergen-Belsen verschiedene Möglichkeiten, um Kinder und Jugendliche die Geschichte des Lagers und seiner Opfer näher zu bringen:
  • Internationale Jugendworkcamps
    Hier arbeiten Jugendliche aus aller Welt zusammen, um beispielsweise Gespräche mit Zeitzeugen zu führen oder Spuren der alten Gebäude freizulegen. Mit ihrer Hilfe entstehen weitere Erinnerungsorte auf dem Gelände des ehemaligen Lagers.


  • Studientage
    Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 13 werden unterschiedliche Themen angeboten, bspw. "Kinder und Jugendliche im KZ Bergen-Belsen", "Anne Frank - auf der Spur eines Mädchens", "Sowjetische Kriegsgefangene in Bergen-Belsen" (für weitere Themen s. Homepage der Gedenkstätte).


  • Deutsch-Israelische Jugendbegegnung
    2008 hat die Gedenkstätte erstmals eine deutsch-israelische Jugendbegegnung in Deutschland und Israel unter dem Titel "Unsere Vergangenheit - unsere Zukunft" initiiert.


  • FSJ Kultur in der Gedenkstätte Bergen-Belsen
    Junge Leute zwischen 16 und 27 Jahren, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur absolvieren möchten, arbeiten ein Jahr lang freiwillig in der Gedenkstätte Bergen-Belsen.


  • Aktuelle Führungen
    Fortlaufend werden themenspezifische Führungen angeboten, wie z.B. zum Thema "Kinder und Jugendliche im Konzentrationslager Bergen-Belsen" u.v.m.


  • Führungen für Schulklassen
    Die Gedenkstätte bietet fortlaufend Führungen für Schulklassen an, die sowohl über das Außengelände als auch durch das Dokumentationszentrum führen. Schwerpunkte der Führung und besondere Wünsche werden vorher mit den Lehrkräften besprochen.

Die Auflistung des Angebots in Bergen-Belsen soll an dieser Stelle nur als Beispiel dienen, was an historisch-politischer Bildungsarbeit in den Gedenkstätten möglich ist. Andere wie beispielsweise die Gedenkstätte Buchenwald oder die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen haben ähnliche Bildungsangebote.
Linktipps
  • Gedenkstätte Bergen-Belsen
    www.bergenbelsen.de/


  • Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
    Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen auf dem Gelände der früheren zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit bietet zahlreiche Informationen zu politischer Verfolgung und Unterdrückung in der DDR. Es existiert auch eine pädagogische Arbeitsstelle, in der Schulklassen qualifiziert betreut werden.
    www.stiftung-hsh.de


  • Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
    In der Gedenkstätte Buchenwald gibt es neben Gruppenführungen für Schulklassen auch Tagesprogramme zur weiteren Auseinandersetzung mit der Geschichte Buchenwalds. Eine Jugendbegegnungsstätte, die in ehemaligen SS-Kasernen untergebracht ist, bietet Seminar- und Projektarbeit zu Buchenwald. Auf der Homepage findet man Gedenkstätten-pädagogische Materialien.
    www.buchenwald.de

Anmerkung der Redaktion:
Das ausgewählte Foto dient nur der atmosphärischen Untermalung des Beitrages und stellt keinen Schauplatz des Inhalts dar.
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Über den Autor/die Autorin
Foto Dr. Lisa Mundzeck

Dr. Lisa Mundzeck ist promovierte Historikerin und arbeitet als freie Online-Journalistin, wissenschaftliche Autorin und Archivarin in Hannover.

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