Rechtsextremismus unterwandert soziale Netzwerke

Junges Mädchen am Laptop
Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer

Rechtsextreme Gruppen und Akteure nutzen soziale Netzwerke gezielt, um ihre Ideologien zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen. Trotz verstärkter Bemühungen von Plattformbetreibern und Jugendschutzorganisationen bleibt es eine große Herausforderung, diesen Aktivitäten effektiv zu begegnen.

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Offensive Rekrutierungsstrategien

Laut dem niedersächsischen Verfassungsschutz sind Jugendliche besonders gefährdet: "Die rechtsextremistische Szene nutzt soziale Netzwerke, um gezielt junge Menschen über den Austausch in Foren und Chats für ihre Ideologie zu gewinnen." (verfassungsschutz.de). Aktuelle Analysen zeigen, dass Rechtsextreme verschiedene Strategien einsetzen:

  • Ästhetik und Emotionalisierung: Bilder von Heimatlandschaften, Traditionen oder familiären Szenen erzeugen Identifikation und Zugehörigkeitsgefühl.
  • Memes und humorvolle Inhalte: Rechtsextreme Botschaften werden oft in humorvoller Verpackung verbreitet, um harmloser zu wirken und die Reichweite zu erhöhen.
  • Desinformation: Manipulative Erklärvideos oder scheinbar seriöse Artikel verbreiten gezielt Falschinformationen und Verschwörungstheorien.
  • Gamer- und Jugendkultur: Über Plattformen wie Discord oder Steam werden junge Menschen in Gruppen eingebunden und langsam an rechtsextreme Inhalte herangeführt.

Diese Strategien entfalten ihre Wirkung unauffällig und bewirken erst mit der Zeit eine Radikalisierung (bpb.de).

Tarnung und Manipulation: „Der Wolf im Schafspelz“

Die subtile Vorgehensweise rechtsextremer Akteure erschwert es, ihre Absichten auf den ersten Blick zu erkennen. Viele dieser Gruppen setzen auf eine "Wortergreifungsstrategie", mit der sie Diskussionen dominieren und eigene Themen in den Mittelpunkt rücken. Besonders perfide ist dabei die Anpassung der Sprache: Indem radikale Inhalte in scheinbar harmlose Begriffe verpackt werden, umgehen sie Algorithmen wie die gängigen Wortfilter der Plattformen, verharmlosen Sachverhalte oder entwickeln eine Art Tarnsprache.

Beispiele für die Sprachverschleierung:

  • Verwendung von Begriffen wie "Gast" statt "Migrant",
  • Abwandlung von Namen oder Begriffen wie "drei Buchstaben" für NPD oder AfD, um eine direkte Nennung zu vermeiden oder
  • Codes und Euphemismen wie "Schwimmen gehen" für einen geplanten Angriff auf Geflüchtete.

Plattformen wehren sich – doch reicht das?

Generell müssen alle Unternehmen, die in der EU operieren, sich an unsere Gesetze halten. Einige soziale Netzwerke haben Maßnahmen ergriffen, um rechtsextreme Inhalte zu bekämpfen:

  • Löschung von Hassrede und extremistischer Propaganda.
  • Automatisierte Filter und Algorithmen: Begriffe wie „Hitler“ oder „NPD“ lösen Alarm aus, doch verschlüsselte Sprache und Tarnstrategien umgehen diese Maßnahmen.
  • Meldesysteme und Partnerschaften: Nutzer können problematische Inhalte melden, während Organisationen wie jugendschutz.net oder die Meldestelle „REspect!“ helfen, rechtsextreme Inhalte aufzudecken.

Doch die Effektivität dieser Maßnahmen ist umstritten und es gibt Netzwerke, die nicht kooperieren: Die Plattformen X und Tiktok zeigen deutlich mehr rechtsextreme Inhalte, weil die Algorithmen gemäß einer Studie offenbar Content von rechtsextremen Parteien bevorzugen (t3n.de). Auch Telegram und andere alternative Netzwerke sind weit weniger reguliert und dienen als Rückzugsorte für extremistische Gruppen.

Eine vollständige Kontrolle ist unmöglich

Soziale Netzwerke verzeichnen täglich Millionen neuer Beiträge. Eine vollständige Überwachung ist technisch und juristisch kaum machbar. Plattformen wie YouTube räumen offen ein, dass Inhalte erst nach dem Hochladen überprüft werden können.
Ein weiteres Problem ist die internationale Rechtslage: Während in Deutschland die Holocaustleugnung strafbar ist, fällt sie in den USA unter die Meinungsfreiheit. Das erschwert die Zusammenarbeit mit global agierenden Unternehmen. Internetkonzerne wie Zuckerbergs Meta haben erst dieses Jahr (Januar 2025) die Zusammenarbeit mit Faktenprüfern, im Bezug auf extremistische Verschwörungstheorien, in den USA eingestellt.

Fazit: Notwendige Maßnahmen gegen digitale Radikalisierung

Der Kampf gegen rechtsextreme Propaganda in sozialen Netzwerken ist eine Daueraufgabe. Neben Plattformbetreibern und Behörden kommt auch zivilgesellschaftlichen Initiativen eine wichtige Rolle zu. Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen, digitale Bildungsangebote und Medienkompetenz-Workshops helfen, junge Menschen für die Gefahren extremistischer Inhalte zu sensibilisieren.

Literatur und Quellen

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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