Wenn Geschwister immer streiten

Entwicklung und Erziehung
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von Bettina Levecke

Im Alltag können Geschwister sich wegen jeder Kleinigkeit in die Haare bekommen. Elternratgeber.de erklärt, wie Eltern kleine Streithähne zur Vernunft bringen.

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Wenn es ernst wird, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Im Alltag können Geschwister sich jedoch wegen jeder Kleinigkeit in die Haare bekommen. Elternratgeber.de erklärt, wie Eltern kleine Streithähne zur Vernunft bringen.

Ein Holtern und Poltern tönt aus dem Kinderzimmer, der große Bruder schimpft, der Kleinere schreit, die Eltern verdrehen im Wohnzimmer genervt die Augen. Was ist denn da schon wieder los? Wer mehrere Kinder hat, kennt das Problem: Der eine gönnt dem anderen das Schwarze unter den Nägeln nicht. Gründe braucht es für den Dauerdisput nicht viele. Schon ein falscher Blick kann eine neue Runde im Ring einläuten. Für die betroffenen Eltern kann der Zwist unter den Geschwistern zur Nervenzerreißprobe werden. Kein Wunder: Ursache und Wirkung sind oft kaum zu unterscheiden. Die Frage: "Wer hat Schuld?" bleibt dabei meistens unbeantwortet.

 

 

Streit gehört zur Entwicklung

Auch wenn der Streit unter Geschwisterkindern sehr anstrengend ist, er hat tatsächlich Vorteile: In der Reibung an Bruder oder Schwester üben Kinder ihre kommunikativen Fähigkeiten. Im Streit verteidigt man die eigenen Grenzen, versucht seine Interessen durchzusetzen, vielleicht Vorteile für sich zu gewinnen. Im Streit lernen Kinder die Grenzen anderer kennen, müssen es aushalten, nicht mit ihrem Dickkopf durchzukommen und dabei auch mal Kritik oder Ablehnung aushalten. Streit ist eine wichtige Spielwiese in der sozialen Entwicklung. Gerade unter Geschwistern geht das besonders gut, denn hier kann man sich ausprobieren ohne nachhaltige Ablehnung befürchten zu müssen. Zugegeben: Ein klitzekleines bisschen Spaß macht sie auch, die Reiberei. Man kann seinen Frust loswerden, die große Schwester auf die Palme bringen oder den jüngeren Bruder zu Verzweiflung. Streit ist Faszination, Macht und Selbstüberprüfung in einem - und damit ein ziemlich spannendes Spielzeug für Kinder.

 

 

 

 

Streitregeln von Anfang an

Kleine Kinder stürzen sich mit ganzem Körpereinsatz in jeden Disput. Wenn der größere Bruder einfach Bauklötze klaut, bekommt er vom jüngeren schon mal ein paar an die Löffel. Hier müssen Eltern von Anfang an klarstellen: So nicht! Am effektivsten ist ein klares Signalwort wie "STOP", das in so einer Situation deutlich ausgesprochen wird. Ob kratzen, beißen, hauen oder bewerfen - bei solchen Übergriffen sollte sofort ruhig, aber deutlich gesagt werden: "STOP, das machst du nicht! Das tut deinem Bruder weh!" Das Signalwort bremst das Kind, die anschließende Erklärung erklärt das Fehlverhalten. Auch ältere Geschwisterkinder sollten lernen, sich auf diese Art zur Wehr zu setzen.

 

 

 

 

Faire Kommunikation

Bei Kindern ab dem Kindergartenalter kommt der Aspekt der Sprachkultur dazu. Eltern müssen in Streitsituationen eingreifen, wenn Kinder Beleidigungen benutzen. Hier muss deutlich gemacht werden: "So sprechen wir nicht miteinander." Natürlich wäre es eine Illusion zu glauben, dass sich Kinder sofort an diese Regeln halten, viel zu magisch sind die bösen Wörter und viel zu spannend ihre Verwendung. Eltern brauchen Geduld, bis Kinder anfangen, die negative Seite der Beleidigungen wirklich zu verstehen. Wichtig ist es natürlich auch, selbst Sprachvorbild zu sein und in Gegenwart der Kinder auf Schimpfworte zu verzichten.

 

 

 

 

Nicht immer einmischen

Wenn Kinder einigermaßen friedlich miteinander diskutieren, besteht kein Grund sofort zu intervenieren. Schließlich sollen sie das Streiten ja üben. Eltern können einen Vertrauensvorschuss schenken. Sätze, wie "Ich bin mir sicher, dass ihr gemeinsam eine tolle Lösung findet" motivieren Kinder, sich fair zu verhalten. Wichtig ist dann ein großes Lob: "Es ist eine prima Leistung, dass ihr den Streit alleine gelöst habt! Ich bin stolz auf euch!"
Eltern sollten die eigene Vorbildfunktion nicht unterschätzen. Gerade in Streitsituationen kann man sehr gut beobachten, wie das eigene Konfliktverhalten durch die Kinder gespiegelt wird. Ein Grund mehr, vielleicht beim nächsten Ehestreit ganz bewusst auf die eigene Wortwahl und die Kompromissfähigkeit zu achten.

 

 

 

 

Keine Stellung beziehen

Wenn der Streit fern der Eltern begonnen hat, ist es für diese kaum möglich, nachzuvollziehen, wer angefangen hat. Genau das erwarten die Kinder aber von Mama und Papa und verzetteln sich in einem "DER hat aber!" -"Nein, SIE hat!" -Dialog. Eltern sollten sich hüten, sich auf das dünne Eis der leidigen Schuldfrage zu begeben. Viel klüger ist es, sich zu einer neutralen Position zu bekennen: "Ich war nicht dabei und kann das nicht beurteilen." Wenn Kinder mit der Schuldfrage zu den Eltern kommen ist es sowieso irrelevant zu klären, wer jetzt was gemacht hat. "Es spielt keine Rolle, wer angefangen hat." Viel wichtiger ist die Zielsetzung: "Dieser Streit muss ein Ende haben. Wie könnt Ihr das Problem lösen?"

 

 

 

 

Lösungen finden

Ab und zu streiten, ist völlig normal und kaum zu vermeiden. Wenn Geschwister sich jedoch ständig in die Haare bekommen, kann die ganze Familie darunter leiden. Hier müssen Eltern sich Strategien überlegen, um die Streithähne zu einem freundlicheren Umgang zu bewegen.
Schritt 1 ist ein gemeinsames Gespräch. Setzen Sie sich mit den betroffenen Kindern an einen Tisch und schildern Sie, wie Sie die Situation erleben. Danach sollten die Kinder aus Ihrer Perspektive erzählen, wie sie sich durch den Dauerstreit fühlen. Ganz wichtig: Vorwürfe sind in diesem Gespräch verboten, jeder darf nur aus der Ich-Perspektive erzählen.
Schritt 2 ist das Besprechen konkreter Lösungsmöglichkeiten. Was kann man unternehmen, damit nicht immer Streit entsteht? Was sind die heißen Themen? Welches Spielzeug ist immer Stein des Anstoßes? Welche Wünsche bleiben unberücksichtigt? Vielleicht wünscht sich der große Bruder, dass der Kleine nicht immer in sein Zimmer kommt, wenn er Freunde zu Besuch hat. Vielleicht stört es den Kleinen, dass der große Bruder immer alles besser weiß und ihm ständig das Gefühl gibt, keine Ahnung zu haben. Vielleicht möchte die große Schwester mittags nach der Schule einfach ihre Ruhe haben? Lassen Sie die Kinder erzählen und versuchen Sie gemeinsam Wege zu finden, damit es allen besser geht.

 

 

 

 

Grenzen setzen

Eltern sollten in puncto Streitkultur auf jeden Fall aufmerksam sein. Auch wenn der Nervfaktor groß ist: ein phlegmatisches Abwinken à la "Das sollen die mal bloß mit sich ausmachen, sind ja alt genug" ist nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn die Kinder dabei sind, sich ständig nur noch zu provozieren. Wenn es zu viel wird, sind Eltern in der Pflicht, Haltung zu zeigen und Konsequenzen zu ziehen: "Jetzt reicht es mir! Ich bin nicht bereit, euer Verhalten zu akzeptieren."
Sehr hilfreich ist es, wenn im gemeinsamen Gespräch als Schritt 3 Konsequenzen mit den Kindern vereinbart werden. Denkbar ist zum Beispiel ein Trennen der Streithähne, jeder geht zum Beispiel für 5 bis 15 Minuten (dem Alter entsprechend) auf sein Zimmer. Danach ist die Begegnung wieder erlaubt, muss aber die Fairness-Absprachen verfolgen, ansonsten droht erneute Trennung. Sehr hilfreich ist es auch, wenn die Bedingung für die erneute Zusammenkunft eine gegenseitige Entschuldigung ist. Fordern Sie Ihre Kinder auf, sich beim jeweils anderen für das eigene Verhalten zu entschuldigen. Dabei sollten Sie sich auch die Hand reichen und sich in die Augen schauen. Oft empfinden Eltern dieses belehrende Eingreifen als anstrengender als das Aushalten des Streits. Doch: Auf Dauer zahlt sich das konsequente Fordern nach Fairness aus und die Kinder werden beginnen, sich immer öfter danach zu richten.

 

 

 

 

Online-Lese-Tipps:

Die Bedeutung des Streits für die Entwicklung:
http://www.kindergartenpaedagogik.de/1290.html

 

 

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Über den Autor/die Autorin
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Bettina Levecke ist freie Journalistin aus der Nähe von Bremen. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesundheit, Familie und Nachhaltigkeit.

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