Spielst du noch oder lernst du schon? - Frühkindliche Bildung in der Kita

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von Ulrike Lindner
Eltern liegt die beste Betreuung ihrer Kinder am Herzen. Doch nicht immer müssen viele Angebote auch besser sein, als der ganz normale Alltag in der Kita.
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„Die spielen da nur“, seufzt Marvins Mutter. Lieber hätte sie für ihren Dreijährigen eine Kita gefunden, die mehr auf Frühförderung setzt. Aber ist es wirklich „nur“ Spiel, was in Marvins Kita abläuft? Und sind die vielen zusätzlichen Förderangebote wie Englisch, Experimente oder Musikkurse tatsächlich notwendig? Eltern liegt die beste Betreuung ihrer Kinder am Herzen. Doch nicht immer müssen viele Angebote auch besser sein, als der ganz normale Alltag in der Kita.

Statt Englisch steht in Marvins Kita am Freitag das gemeinsame Frühstück auf dem Wochenplan. 25 Kinder wuseln um den Tisch herum. Einige verteilen Teller und Becher auf dem langen Tisch, andere legen Brötchen in einen Korb und wieder andere warten schon ungeduldig auf den Beginn des Frühstücks.

Die gemeinsame Mahlzeit sieht auf den ersten Blick nicht aus wie eine Lernveranstaltung. Und doch werden hier (und bei vielen anderen Gelegenheiten) Fähigkeiten aus den wichtigsten Bildungsbereichen trainiert. Schriftlich niedergelegt sind diese Bereiche seit 2004 in den Bildungsplänen der Länder. Auch wenn die Bundesländer im Einzelnen voneinander abweichen und einige Bereiche unterschiedlich benannt werden, sind sie doch deutschlandweit ähnlich definiert. Sie umfassen:

  • Körper, Gesundheit, Bewegung (motorische Entwicklung)
  • Soziale Kompetenzen und kulturelle Umwelt
  • Kommunikation mit den Bereichen Sprache, Medien, Schriftkultur
  • Sensorische Entwicklung/Wahrnehmung
  • Kognitive Entwicklung zum Beispiel in Bezug auf mathematische und naturwissenschaftliche Grunderfahrungen
  • Bildnerische und andere kreative Fähigkeiten
  • Emotionale Entwicklung

Nur gespielt? Was Kinder nebenbei alles lernen

Wie komplex die Aneignung dieser Fähigkeiten im Einzelnen ist, das lässt sich auf den ersten Blick oft nicht erkennen. Wie beim Beispiel Tischdecke und gemeinsam essen: Wo Mama und Papa nur Chaos sehen, trainieren Kinder unterschiedlichen Alters ihre Fähigkeiten und eignen sich wichtige Kompetenzen an. Zum Beispiel diese:

  • Es fordert den Gleichgewichtssinn, einen Stapel Becher von A nach B zu tragen. Beide Hände sind beteiligt, wenn Geschirr und Besteck aus dem Schrank geräumt werden.
  • Beim Tischdecken müssen bestimmte Regeln bekannt sein und beachtet werden, zum Beispiel, damit Teller und Tassen dort landen, wo sie hingehören. Auch das gemeinsame Essen funktioniert nur, wenn allgemein anerkannte Regeln eingehalten werden.
  • Mathematisches Grundverständnis wird trainiert, wenn Geschirr und Besteck in ausreichender Menge verteilt werden. Naturwissenschaftliche Grunderfahrungen aus dem Bereich der Physik werden gemacht, wenn Gegenstände zu Boden fallen oder wegrutschen.
  • Abwarten, bis alle sitzen und gemeinsam beginnen – das ist für jüngere Kinder eine schwierige emotionale Geduldsübung.
  • Sprache wird benötigt um sich zu einigen, wer was tut.
  • Verschiedene Geschmackserlebnisse werden gemacht, wenn unterschiedliche Speisen probiert werden.
  • Informationen über Ernährung und gesunde Lebensmittel werden vermittelt, zum Beispiel wenn die Einkaufsliste fürs Frühstück zusammengestellt wird.
  • In der Küche lernen Kinder naturwissenschaftliche Grundlagen – zum Beispiel, dass Stoffe in fester, flüssiger und gasförmiger Form auftreten und diese - wie ein schmelzendes Eis – sich auch gelegentlich ändern können.

Die Bildungspläne machen deutlich, dass in Deutschlands Kindertagesstätten Kinder als lernende Wesen gesehen werden, und zwar von Anfang an. Indem Bereiche festgelegt wurden, in denen dieses Lernen stattfindet, können die pädagogischen Fachkräfte Kinder beim Erwerb der wichtigen Kompetenzen unterstützen. Auch die systematische Dokumentation der Entwicklung jedes einzelnen Kindes (zum Beispiel durch Portfolioarbeit oder Entwicklungstagebücher) und gegebenenfalls die gezielte Förderung sind durch die Bildungsbereiche leichter möglich, als das zuvor der Fall war.

Erst das schlechte Abschneiden bei internationalen Vergleichsstudien gab übrigens den Ausschlag, in Deutschland Bildungspläne für den Elementarbereich einzuführen. Inzwischen liegen sie in allen Bundesländern vor. Der Vorteil für Eltern: Sie können anhand der Bildungspläne gezielt nachfragen wie die einzelnen Bereiche in ihrer Kita umgesetzt werden und können gemeinsam mit den Erzieherinnen die dafür benötigten Bedingungen einfordern.

Experten warnen jedoch davor, die Kita-Zeit zu sehr zu verschulen. Bildungspläne sind keine Lehrpläne im schulischen Sinn. Die in ihnen definierten Fähigkeiten eignen sich Kinder am besten spielerisch an – in alltäglichen Situationen wie dem gemeinsamen Frühstück oder bei vielen anderen Bildungsanlässen in der Kita.
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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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