Frustrationstoleranzgrenze - was ist das und wozu braucht man das?
Entwicklung und Erziehung
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Frustrationstoleranzgrenze - was ist das und wozu braucht man das?
von Manon Sander
Wenn die Aussage fällt: „Die Frustrationstoleranzgrenze von Eva ist gering, daran müssen Sie unbedingt arbeiten“, stellt sich die Frage, was das genau ist und wie man als Eltern daran arbeiten kann.
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Im Kindergarten, bei der Einschulungsuntersuchung oder bei irgendeiner anderen Gelegenheit fällt plötzlich das Wort, verbunden mit einer Aufforderung: „Die Frustrationstoleranz-grenze von Eva ist gering, daran müssen Sie unbedingt arbeiten.“ Da stellt sich natürlich die Frage, was das genau ist und wie man als Eltern daran arbeiten kann.
Kinder müssen begreifen, dass niemand in allem gleich gut sein kann, aber es sollte gezeigt werden, dass vieles erlernbar ist. Ein Satz wie „Ja, ich konnte auch nie Skifahren!“ ist nicht hilfreich. Besser ist es dann zu sagen „Ich habe mir auch viele blaue Flecken geholt, bis ich das erste Mal den Berg hinuntergekommen bin.“
Wenn etwas nicht so gut klappt, kann dafür eine andere Leistung gelobt werden: „Du hast jetzt zwar bei diesem Spiel verloren, aber da merkst du mal wie es mir letzte Woche ging, als ich dreimal hintereinander gegen dich verloren habe!“
Wortbedeutung
Das Wort „Frust“ drückt Ärger aus und „Toleranz“ bedeutet, dass man etwas aushalten kann, in diesem Fall den Ärger. „Frustrationstoleranz“ bedeutet, dass eine Person eine unangenehme Situation aushalten kann. Die „Grenze“ zeigt dann wiederum an, wo das Ende des Aushaltens angesiedelt ist. Das ganze Wort drückt aus, dass genau an dieser Stelle, wo die Frustrationstoleranzgrenze liegt, das Ausrasten des Kindes anfängt. Das ist der Moment, in dem das Kind ein Spielzeug zertritt, der Augenblick in dem das gerade angefangene Brettspiel in die Ecke fliegt oder der Zeitpunkt, an dem die neuen Stiefel die Kellertreppe hinunter fliegen.Auslöser
Wo genau die Grenze liegt, ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Oft reagieren Kinder in einer anderen Umgebung anders, als zu Haus. So kann es zum Beispiel sein, dass ein Kind etwas besonders gut beherrscht und plötzlich in einer Gruppe Gleichaltriger auf ein anderes Kind trifft, das noch besser darin ist. Anstatt dann ehrgeizig zu sein und zu versuchen doch zu gewinnen, fliegen plötzlich die Spielkarten durch die Gegend. Oder ein Kind, das zu Hause nach langem Üben das Binden der Schleife gelernt hat, scheitert später daran im Kindergarten. Genauso kann ein Kind wütend werden, wenn man ihm gar nicht oder zu viel hilft, wenn man seinen Bemühungen keine Aufmerksamkeit schenkt oder wenn man es zu sehr in den Mittelpunkt stellt. Jedes Kind, jeder Mensch reagiert anders. Auch wir Erwachsenen haben eine solche Grenze und wer ein wenig in sich hineinhorcht, der weiß, wo die eigenen Grenzen liegen. Wir können besser damit umgehen und wissen, solche Situationen zu umgehen. Sportarten, von denen wir meinen, dass wir darin nicht erfolgreich sind, üben wir selten aus. Kinder wiederum probieren mehr aus und werden auch vor mehr Herausforderungen gestellt.Stärken fördern
Genau diese Strategie, die Erwachsene anwenden, sollte auch Kindern helfen, damit umzugehen. Kinder müssen wissen, dass sie auf vielen Gebieten erfolgreich sein können. Sie müssen zeigen dürfen, was sie können. Es muss altersgemäß eine Leistung anerkannt werden und nicht mit anderen verglichen werden. Ein Kind, das gerade geschafft hat, eine Bahn zu schwimmen, ist bestimmt nicht glücklich über seine Leistung, wenn es hört, dass ein anderes Kind gerade die doppelte Strecke in halber Geschwindigkeit mit einer viel besseren Technik geschwommen ist. Eine individuelle Leistung muss anerkannt werden. Ein Kind sollte nur mit sich selbst verglichen werden. Sätze wie: „Toll, heute hast du viel mehr geschafft als letzte Woche!“ oder „Ich habe nicht erwartet, dass du heute so viel schaffst, super!“ bestärken das Kind. Wenn es einmal nicht so gut gelungen ist, kann man auf schon geschaffte Erfolge verweisen ohne dabei zu fordernd zu wirken. „Du kannst das schaffen, letzte Woche hat das doch auch geklappt!“ ist viel besser als „Warum stellst du dich heute so an – du konntest das doch schon!“Kinder müssen begreifen, dass niemand in allem gleich gut sein kann, aber es sollte gezeigt werden, dass vieles erlernbar ist. Ein Satz wie „Ja, ich konnte auch nie Skifahren!“ ist nicht hilfreich. Besser ist es dann zu sagen „Ich habe mir auch viele blaue Flecken geholt, bis ich das erste Mal den Berg hinuntergekommen bin.“
Wenn etwas nicht so gut klappt, kann dafür eine andere Leistung gelobt werden: „Du hast jetzt zwar bei diesem Spiel verloren, aber da merkst du mal wie es mir letzte Woche ging, als ich dreimal hintereinander gegen dich verloren habe!“
Mogeln erlaubt
Eltern sind Kindern in vielem erst einmal haushoch überlegen. Sie sind die Vorbilder, aber Vorbilder muss man auch einmal schlagen dürfen und besonders Spiele eignen sich dazu. Eltern dürfen sich hier also ruhig einmal schlechter machen und das Kind ganz knapp gewinnen lassen. So lernen Kinder bis zum Schluss dabei zu bleiben und dann auch noch ein Erfolgserlebnis zu haben. Nach ein paar Gewinnrunden darf ein Kind dann auch wieder verlieren, aber möglichst haarscharf. Je älter die Kinder, desto weniger muss man ihnen helfen und desto mehr wird das Spiel für beide Seiten zu einem wirklichen Spiel.Sachen kritisieren - nie das Kind
Es klingt logisch und ist auch ganz einfach, doch in der Praxis läuft es oft schief. Wenn ein Kind zum Beispiel etwas gemalt hat, das wirklich misslungen ist und das Kind das auch einsieht und vielleicht sogar traurig darüber ist, dann sollte das Kind nicht hören: „Das hast du aber schlecht gemacht!“ Damit wird das Kind und sein Können komplett in Frage gestellt. Besser ist es in diesem Fall zu sagen: „Das Bild ist nun nicht wirklich schön, das kannst du doch viel besser, schau mal, wie du das hier gemacht hast.“ Oder „Meinst du nicht auch, dass das Bild nicht so toll ist? Ich zeige dir mal einen Trick, wie man es besser machen kann!“Nach dem Runterfallen sollte man sich wieder auf das Pferd setzen
Dieser Spruch gilt nicht nur für das Reiten. Wenn man mit etwas gescheitert ist, dann braucht man einen Erfolg, um nicht aufzugeben. Wenn beispielsweise ein Kind es nicht schafft etwas auszuschneiden, dann sollte es trotzdem noch einmal dazu ermutigt werden, etwas Leichteres zu schneiden, um ein Erfolgserlebnis zu haben. Ist ein Kind mit dem Fahrrad gestürzt, sollte das „böse“ Fahrrad nicht in die Garage verbannt werden, sondern gleich nach dem Trösten noch mal genutzt werden.Erreichbare Ziele setzen
Kinder, die sich Ziele setzen, die sie nicht erreichen können, geben viel schneller auf. Sobald sie realisieren, dass sie etwas nicht schaffen werden, sinkt die Motivation weiterzumachen. Erreichbare Ziele sind daher viel besser!
Über den Autor/die Autorin
Manon Sander ist Mutter von 6 Kindern und außerdem Autorin für Fach- und Kinderbücher.