Wenn die Pubertät beginnt...

Entwicklung und Erziehung
© David Pereiras - Fotolia.de
von Manon Sander
Gestern war die Welt noch in Ordnung und heute plötzlich, beim Wegbringen zum Bus, sagt das Kind an der Häuserecke: „Also, ich verabschiede mich jetzt schon mal von euch, denn am Bus mag ich das nicht! Ihr müsst auch nicht winken!"
Lesedauer:
5 min
Gestern war die Welt noch in Ordnung: Gemeinsam wurden Schuhe gekauft, es wurde gelacht, Urlaub geplant und heute plötzlich, beim Wegbringen zum Bus, sagt das Kind an der Häuserecke: "Also, ich verabschiede mich jetzt schon mal von euch, denn am Bus mag ich das nicht! Ihr müsst auch nicht winken!"

Viele plötzliche Veränderungen

Jugendliche (denn "Kinder" darf man sie nun auf keinen Fall mehr nennen), die in die Pubertät kommen, grenzen sich in vielfältiger Weise von ihren Eltern ab. Das kann durch Rückzug sein, das kann durch plötzlich auftretende Sprachfaulheit geschehen oder durch Tragen von merkwürdiger Kleidung und ungewöhnlichen Haarschnitten. Außerdem kommt es öfter zu Konflikten, die aus eigentlichen Nichtigkeiten resultieren. Es knallen Türen und Gespräche mit Freunden werden abgeschottet am Telefon, Handy oder Computer geführt.

Andere benehmen sich nicht so ...

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass der nette Nachbarsjunge von nebenan sich zu Hause genauso benimmt wie bei Ihnen, wo er "bitte" und "danke" sagen kann. Seien Sie versichert, wenn Sie mit seiner Mutter reden, wird auch sie ein Lied von dessen Unfreundlichkeit singen können. Ein Trost mag vielleicht sein, dass es meistens die Personen trifft, die dem Kind besonders nahe stehe, so kann auch die bisher geliebte Patentante oder der Freund der Mutter - der bisher eigentlich immer cool war - angeblafft werden.

Gründe

Kinder müssen sich in verschiedenen Phasen von ihren Eltern abnabeln. Auch die ersten Phasen der Kindheit waren schmerzhaft - aber man vergisst solche Erlebnisse zum Glück. Mit drei Jahren hatte das Kind das ganz starke Bedürfnis, alles allein machen zu wollen. Mit Fünf verschwand der Drang, im elterlichen Bett zu schlafen und mit neun Jahren war die Gute-Nacht-Geschichte gar nicht mehr so interessant. Das sind langsame Prozesse. In der Pubertät, so zwischen 12 und 16 Jahren, kommt dann alles mit voller Wucht und viele Dinge auf einmal.
Die Gründe dafür sind Neustrukturierungen im Gehirn. Prozesse verlaufen anders. Bisher wurde angenommen, dass diese Phase mit 18 Jahren abgeschlossen sei. Heute geht man davon aus, dass sie erst mit 25 bis 30 Jahren wirklich abgeschlossen ist. Bevor der dreißigste Geburtstag erreicht ist, wird das Handeln irgendwann wieder berechenbarer, nachvollziehbarer und verantwortungsbewusster.

Wen es wie trifft, ist nicht vorhersehbar

Es ist im Vorfeld nicht klar, wie sich welches Kind in der Pubertät entwickelt. Das eine Kind der Familie durchläuft alles unproblematisch und das nächste hat riesige Probleme. Gute Eltern-Kind-Verhältnisse sind keine Garantie dafür, dass es nicht zu Problemen kommt, aber sie können helfen.

Es herrscht das Chaos

Nicht nur im Kopf herrscht das Chaos bei Jugendlichen, sondern auch überall um sie herum. Ihre Zimmer gleichen dem, wie sie als Kleinkinder gespielt haben - nur, dass Eltern nun nicht mehr aufräumen sollten und dürfen. Jacken liegen im Flur, Schuhe finden sich getrennt vom Partner an verschiedenen Plätzen wieder und das Geschirr aus dem Schrank taucht auf wundersame Weise Wochen später im Zimmer der Kinder auf.

Verständnis haben, aber nicht immer zeigen

Einfache Aufforderungen, wie z. B. das Einräumen der Spülmaschine oder das Herausbringen des Mülls zu übernehmen, werden oft mit unfreundlichen "Grunzlauten" kommentiert. Versuchen Sie im ersten Ärger, den Inhalt der Aussage von der Art, wie es gesagt wurde, zu trennen und bestehen Sie auf kleine Handreichungen. Gehen Sie auf die Art und Weise der Kommunikation erst zu einem späteren Zeitpunkt ein. Provokation der pubertierenden Jugendlichen gehört in dieser Phase einfach dazu.

Abgrenzen ist notwendig

Jugendliche müssen sich von ihren Eltern abgrenzen. Das war schon immer so. Eine Mutter erzählte, dass sie nie verstanden habe, dass ihre Eltern ihr die Hardrock-Musik verboten hätten und sie diese nur leise in ihrem Zimmer hören durfte. Wenn sie einmal Kinder habe - hat sie sich damals vorgenommen - wolle sie mit ihnen gemeinsam Hardrock hören. Dumm war nur, dass ihre Töchter eher auf Hip Hop standen und das wiederum mochte die Mutter nicht. Letztendlich hörten die Mädchen ihre Musik auch leise in ihrem Zimmer.
Abgrenzen ist dringend notwendig für die Jugendlichen. Hier erlebt man oft, dass die Teenager selbst auf verständnisvolles Verhalten aggressiv reagieren. Ein 16jähriger Junge fragte seine Eltern, wann er abends nach Haus kommen müsse. Die großzügige Antwort der Eltern lautete: "Mach es so, wie du willst!" Daraufhin begann der Junge zu schreien und zu toben und unterstellte den Eltern, dass sie ihn nur kontrollieren wollen. Schließlich legte der Vater die Zeit auf 22.30 Uhr fest. Der Junge kam dann freudig um 23 Uhr nach Hause, wohl wissend, dass er gegen eine Regel verstoßen hatte.

Grenzen beibehalten

Schon im Kleinkindalter ist es wichtig, dass Verabredungen eingehalten werden. Zeigen Sie, warum das wichtig ist. Auch wenn das Verhalten der Jugendlichen oft unlogisch ist, kommen Sie hier mit Logik am weitesten. Wenn beispielsweise Ihr Kind zu spät nach Hause kommt und sich nicht vorher gemeldet hat, kann es sein, dass dadurch andere Termine versäumt werden. Mit der Argumentation, dass Sie sich Sorgen gemacht hätten, werden Sie die Jugendlichen in den seltensten Fällen erreichen. Stellen Sie stattdessen Belohnungen für das Einhalten von Absprachen in Aussicht. "Wenn du mir jetzt hilfst, dann darfst du später noch ... machen." Genauso können auch Aufgaben vergeben werden: "Weil du nicht da warst, als wir verabredet waren, habe ich ... nicht erledigen können. Bitte hilf mir dafür, ... zu tun."

Es muss nicht immer etwas passieren

Natürlich liest man viel von vermissten Kinder, Alkoholabstürzen von Jugendlichen, Drogen, Autounfällen und so weiter. Das sollten und müssen Sie als Eltern im Auge behalten. Sprechen Sie das Thema Sexualität (Verhütung und Schutz) früh genug an - aber lassen Sie Ihrem Kind auch einen gewissen Freiraum und versuchen Sie nicht, alles überprüfen zu wollen. Alle Kinder werden groß und damit ist auch eine gewisse Verantwortung gegenüber sich selbst und anderen verbunden. Überträgt man diese den Jugendlichen nicht, bekommen sie das Gefühl, dass man ihnen nichts zutraut. Natürlich ist es schlimm daran zu denken, was passieren könnte, doch tatsächlich passiert in den wenigsten Fällen etwas. Viele Teenager sind eigentlich viel verantwortungsbewusster, als Eltern annehmen. Sie können Ihre Kinder auch unterstützen – bieten Sie zum Beispiel an, sie zu fahren. Dann wissen Sie zum einen, wo sie sind und wahrscheinlich auch mit wem sie dort sind. Zum anderen können Sie sicher sein, dass Ihre Kinder nicht mit irgendwem mitfahren. Sprechen Sie sich nach Möglichkeit auch immer mit anderen Eltern ab - nicht, dass die Jugendlichen sich gegenseitig ein Alibi geben und letztendlich woanders übernachten, als angegeben.

Mal zurückdenken und durchatmen

Wenn es ganz schlimm wird und Sie gar nicht mehr weiter wissen, dann denken Sie doch einmal daran zurück, was Sie in dem Alter aufgeregt hat und wie Sie darauf reagiert haben. Und: Ohrlöcher wachsen wieder zu, gefärbte Haare wachsen raus und Kleidungsstile kann man auch ändern.

Literaturtipp

Das Taschenbuch "Jugendjahre" ist beim Piper Verlag erschienen. Es berichtet ebenfalls von Generationsproblemen.
ISBN: 978-3492301923
Beitrag teilen:
Themen:
Pubertät
Jungen
Mädchen
Reife
Erwachesen werden
Über den Autor/die Autorin
Foto Manon Sander

Manon Sander ist Mutter von 6 Kindern und außerdem Autorin für Fach- und Kinderbücher.

Weitere Beiträge lesen